Ein A-Modell wird Anfang 1904 auf der Automobile Union in Frankreich präsentiert. Schon 1906 warnten französische Journalisten, daß die Welt bald von im Massen gefertigten, billigen amerikanischen Automobilen überflutet werden würde. Im November 1908 tauchte dann das erste T-Modell auf dem Pariser Auto Salon auf. Ford war damals schon der weltweit größte Automobilkonzern. Als erster reagierte Louis Renault: Im April 1911 brach er zu einem Besuch des Ford Werk Highland Park auf und studierte die modernen Fertigungsmethoden. Ein Jahr später unternahm André Citroën eine ähnliche Reise. Henry Ford und sein Sohn Edsel brachen im August 1912 zum Gegenbesuch auf, man besichtigte zuerst das Renault Werk und dann noch zwei kleinere Firmen.
Der
Pariser Henri Depasse war Frankreichs
erster Ford Händler. Ab 1907 kamen zerlegte Ford aus Detroit in Kisten
an der Seine an. Schon 1912 verlegte Depasse seine Aktivitäten nach
Levallois-Perret, einem Pariser Außenbezirk. Die Anzahl der verkauften
Fahrzeuge stieg von 200 im Jahr 1912 auf 676 im letzten Friedensjahr.
Größtes
Problem waren die unregelmäßigen Lieferungen. Ford ersuchte
Depasse nach Bordeaux, dem wichtigsten französisch-amerikanischen
Handelshafen umzuziehen. Er mietete 1909 daraufhin dort in Fondaudège
ein Lagerhaus und 1914 wurden 300 Ford montiert. Nach Kriegsende waren
es schon
3.600, also mehr als die Produktion z.B. von Panhard oder Peugeot.
Am 1. Juni 1916 gründeten Depasse
und Ford zusammen die Société des Automobiles Ford mit
Sitz
in Paris für den Vertrieb in Frankreich, Algerien und Tunesien. Die
ersten 500 T-Modelle wurden noch in Bordeaux ausschließlich
für die französische Armee
montiert. Bis 1919 wurden 10.000 T-Modelle an die Truppen und die
Regierung geliefert. Im Juli 1919 erwarb Ford ein Gebäude am Place
Sainte Croix in Bordeaux, wohin alsbald das Hauptquartier und alle
Aktivitäten
verlegt wurden. Die Montage beschränkte sich auf das Auspacken und
das Anbringen von Kotflügeln und Rädern. Ford war zunächst
zögerlich
ein richtiges Werk in Frankreich aufzuziehen, da man zuerst das
englische
Werk auslasten wollte und zudem noch mit Citroën in Verhandlungen
um eine Mitnutzung seiner Fertigung stand.
Nach der Senkung von Einfuhrzöllen
im Jahr 1919 kam die Montage in Sainte-Croix in Schwung. Nun wurden auch
Motoren, Achsen und andere Kleinteile montiert. Immer noch war aber die
Anlieferung ein Problem, die Zahl der gelieferten Kisten schwankte von
10 bis 500 pro Monat. Ab April 1928 wurde die Einfuhr ausländischer
Kraftfahrzeuge untersagt, trotz des Einwandes seitens Ford, man würde
nur eingeführte Teile zu fertigen Autos zusammenbauen.
Ford Schauraum in Versailles
Ford reagierte und investierte in ein neues Werk am Bordeaux Cours Albert Ier Motoren, Achsen und andere Teile wurde zwar immer noch vormontiert angeliefert, jedoch die Kotflügel mussten nun vor Ort in Form gebracht und lackiert werden. So komplettierte man zwischen 110 und 135 T-Modelle am Tag und insgesamt 2.341 im Jahr 1921, sowie 24.000 1925. Erneut erwarb man neue Flächen nahe Pariser in Asnières. Dort wurden auf zwei getrennten Fließbänder T-Modelle und Nutzfahrzeuge montiert. Das gesteckte Ziel von 250 Fahrzeugen am Tag konnte jedoch nie erreicht werden, zu Hochzeiten kam man auf knapp 100. Das T-Modell ließ sich in Frankreich trotz des günstigen Preises nicht mehr verkaufen. Es erschien den Franzosen zu altmodisch, unter-motorisiert und langsam. Auch die mittelmäßige Verarbeitung wurde bemängelt. Als sich dann noch der Dollar Wechselkurs dramatisch verschlechterte setzte Ford bei jedem verkauften Auto zu. Mit dem Zukauf von einheimischen Teilen und Entlassungen versuchte man die Kosten zu senken.
Ford Bordeaux
Im April 1929 wurde die Société Anonyme Française gegründet, auch kurz SAF genannt, kontrolliert von Ford of Britain. Das neue AF-Modell mit dem kleinen 2,2 Liter Motor für Europa kostete weniger Steuern und übertraf den lahmen Vorgänger. Die SAF versuchte mehr heimische Teile zu verbauen: Fahrgestell, Achsen, Felgen, Reifen, Vergaser und Beleuchtung (ab 1930 auch Holzteile, Polster und Elektrik).
Das kleinere Modell-Y wurde dagegen in Asnières zum Flop. Als höhere Zölle angekündigt wurden füllte Ford noch schnell die Lager, die spätere Abwertung von Dollar und Pfund führte zu katastrophalen Verlusten von 9,5 Millionen Franc. Den Ausweg sah SAF Direktor Dollfus im Oberklasse Segment. Mit einem 21HP Motor wurde der kleine V8 in Frankreich für 35.000 FF angeboten. Ein weiteres Projekt war der "Tracfort". Mitglieder des französischen Ford Aufsichtsrat gründeten eine eigene Firma, die auf dem Pariser Salon 1934 zwei Y-Modelle mit Frontantrieb vorstellte. Nach nur 12 gebauten Prototypen ging dieses Unternehmen in Konkurs.
Eng
mit der französischen Ford Geschichte verbunden sind auch die
Rennwagen von Charles Montier. Schon 1912 bestritt er mit auf einem
Ford-Montier 6CV den französischen Grand-Prix. 1923 erreichte er
beim 24 h Rennen von Le Mans zusammen mit seinem Schwager und seinem
2-Liter Ford Montier Special den 14. Gesamtrang. In den Jahren 1925/26
fiel der Montier-Ford leider aus, konnte aber bei Grand-Prix Rennen und
Rallyes achtbare Erfolge einfahren.
1930 baute Montier einen Rennwagen auf Ford Modell A Basis, mit dem
Erscheinen des neuen Ford V8 Motors setzte er diesen Motor beim
belgischen Grand-Prix ein – wohl in der Hoffnung Privatfahrer
würden ihm solche Rennwagen abkaufen. Sehr ungewöhnlich war
der Montier Spezial aus dem Jahr 1933. Zwei A-Modell Vierzylinder
wurden zu einem Reihenachtzylinder gekoppelt, in das Fahrgestell aus
dem Jahr 1930 gesetzt und mit einer lang-gestreckten Monoposto
Karosserie überzogen. Bei Straßenrennen war dieser Wagen nie
besonders erfolgreich, konnte aber oft bei Bergrennen in der 3-Liter
Klasse triumphieren.
Lieferwagen auf Ford
V8 Chassis
Im Sommer 1933 begannen Verhandlungen mit dem Elsässer Émile Mathis. Mathis sollte in La Meinau Teile und Motoren fertigen. Im Oktober 1934 gründete man zusammen Matford. Mathis hält 48% der Aktien und SAF 52%. V8 Motoren und Getriebe kamen nun aus Straßburg, die Karosserien lieferte Chausson, montiert wurden sie in Asnieres. Die Werke lagen zu weit auseinander. 1937 reifte nach langen Verhandlungen mit den Behörden die Idee zu einem neuen Werk in Poissy mit einer Kapazität von 150 Fahrzeugen täglich in einer Achtstunden Schicht. Nach Vertragsende mit Mathis sollte zum 1. Mai 1940 das erste Auto dieses Werk verlassen. Es kam jedoch zu Streitigkeiten mit Mathis, der sich übervorteilt fühlte. Schlussendlich einigte man sich auf eine Entschädigungszahlung. Zweiter Teil des Projekts sollte ein neuer Vierzylinder Wagen werden, jedoch nicht der deutsche Taunus. Dollfus und Edsel Ford dachten an einen Typ ähnlich dem Peugeot 202.
Ford Werk Poissy
Doch es gab neue Schwierigkeiten: Ford hatte gerade einen Rüstungsauftrag zur Lieferung von LKW an das Luftfahrtministerium gewonnen. Eine Bestimmung für Rüstungsbetriebe besagte jedoch, daß sie mindestens 40 km von Paris entfernt gelegen sein müssten; Poissy war nur 27 km entfernt. Ford bot ein zweites Gebäude in Bordeaux an, doch plötzlich entschied die französische Armee zu Gunsten von Poissy.
Nach Kriegsausbruch wurde das Werk La Mainau nach Bordeaux evakuiert. Dazu benötigte man 1.000 Eisenbahnwaggons und drei Monate Zeit. Noch bevor Poissy den ersten LKW an die Luftwaffe liefern konnte wurde das halbfertige Werk schon zum Fertigung von Flugmotoren umgebaut. Dolfuss mietete zusätzliche Werkstätten im Zentrum von Poissy an. Völlig überraschend ordnete das Luftfahrtministerium erneut eine Evakuierung von Fordair nach Bordeaux an. Alle Bauarbeiten wurden eingestellt, das Werk leergeräumt und Alles per Bahn verschickt. Viel ging verloren oder wurde erst viel später wiedergefunden. Mit dem rasanten Vorrücken der Wehrmacht stoppte auch Ford USA alle Lieferungen.
Schon Anfang 1939 wurde zudem eine neue Tochtergesellschaft Fordair auf Wunsch des französischen Verteidigungsministeriums gegründet. Sie sollte Teile für Flugmotoren produzieren, wozu es nach dem Einmarsch der Wehrmacht in Frankreich allerdings nie kam.
Frontlenker LKW
Am
29. September 1939 ordnete das Luftfahrministerium
den Bau eines neuen Frontlenker LKW an. Doch mit
Versorgungs-Engpässen,
herumstehenden, halbfertigen LKW, die in einem Tunnel bei Saint-Cloud
untergestellt
waren, blieb dies ein unsinniges Unterfangen. Erst mit einer
Finanzspritze
von 220 Millionen Franc erreichten die Werke in Bordeaux,
Asnières
und Poissy ihr Produktionsziel von monatlich 1.200 LKW. Doch die Front
kam immer näher: Am 3. Juni 1940 bombardierten deutsche Flugzeuge
Poissy, es kam jedoch kaum zu größeren Schäden. Am
10. Juni wurde der Befehl zum Rückzug gegeben. Auf Booten, LKW und
per
Bahn wurde Alles, was sich irgendwie demontieren ließ, von
Asnières
und Poissy nach Bordeaux transportiert.
Dollfus versuchte in die unbesetzte Zone
zu gelangen, doch man ließ ihn nicht einreisen. Bei seiner
Rückkehr
nach Paris waren beide Werke schon unter deutscher Kontrolle und
wurden dem französischen Konzern Laffly zugeschlagen. Poissy
lieferte nun Ersatzteile und LKW für Ford Köln, die ersten
LKW aus dem neuen Werk. Man produzierte auch Motoren für Antwerpen, alles
unter der Kontrolle von zwei Organisationen, der französischen COA
(Comité d'Organization de l'Automobile) und dem deutschen GBK (General
Bevollmächtigte für das Kraftfahrwesen).
Während dieser Zeit kam es auch zu
Überlegungen eine Fertigung in Algerien aufzuziehen, so wurde 1941
Ford Afrique SA gegründet und das Hauptquartier der SAF von Vichy
nach Oran verlegt. Mit dem Einmarsch der Alliierten in Algerien und Marokko
wurden diese Pläne 1942 wieder aufgegeben.
Die Wehrmacht bemühte sich um Rationalisierung und Vereinheitlichung. Ab Februar 1943 wurde in Poissy der Bau des eigenen LKW zu Gunsten des Kölner Typs eingestellt. Die Qualität blieb jedoch schlecht. Am 9. März 1942 bombardierte die Royal Air Force viermal das Werk und richtete großen Schaden an. Die Produktion mußte für mehrere Wochen gestoppt werden. Frau Dollfus, eine gebürtige Engländerin, gratulierte den britischen Piloten zu ihrem Erfolg. Ihr Mann war dagegen bestrebt die Produktion aufrecht zu erhalten um den Deutschen keinen Grund zur Demontage und Deportierung der Mitarbeiter zu geben. 1943 erreichte er die Einstufung als "Speer Betrieb S", was dem Werk bessere Konditionen bei der Material- und Energieversorgung sicherte.
Am
26.-28. August 1944 wurde Poissy nach
zwei Artilleriegefechten auf dem Werksgelände befreit. Zuerst
mußte die Belegschaft die zerstörten Werkshallen und die
Seinebrücke reparieren. Man begann
nun LKW für das befreite Frankreich und an die Alliierten zu
liefern und reparierte Motoren amerikanischer Panzer und Jeeps. Nach Kriegsende versuchte
man zunächst
Ford Frankreich an einen Mitbewerber abzustoßen, es fand sich
jedoch
kein geeigneter Interessent. Also konzentrierte man sich wieder auf die
für den Wiederaufbau so wichtigen LKW wie den Matford 92 V8, ab
1946
in Ford F472 umbenannt. Doch das Überleben schien noch nicht
sicher.
Dollfus brachte von seinen Reisen nach Detroit zwei Pläne mit
zurück:
Den für einen 1941 in den USA für Mercury entworfenen kleinen PKW und für
einen Diesel-LKW.
Der für amerikanische Verhältnisse
kleine PKW, Vedette genannt, rangierte in Frankreich
im oberen Marktsegment, galt aber mit seinen gegeneinander zu öffnenden
Türen als modern. Der V8-60 Motor war nicht anderes als der alte Matford
Motor aus den 30ern. Die zweite Studie mit einem Hercules Diesel
sollte den LKW Kraftstoffverbrauch von 32 Liter auf rund 18l/100km
senken.
1948 begann man mit dem Bau der Vedette, obwohl noch längst nicht alle Teile aus Poissy kamen und die Konstruktion nicht ausgereift war. Von Chausson kamen die blau eingewachsten Karossen der Vedette, leider jedoch in lausiger Qualität und oft durch Streiks nicht regelmäßig. Zudem kam es immer wieder zu Engpässen bei der Zuteilung von Stahl, bei der die einheimischen Hersteller offensichtlich bevorzugt wurden.
Abeille Kombi-Version
der Vedette mit zweigeteilter Heckklappe
1949 wurde François Lehideux zum neuen Chef der SAF, wohl als Antwort auf den Misserfolg der Vedette. Hastig flossen ab 1950 etlicher Verbesserungen in den Wagen ein, doch die Qualität der französischen Zulieferteile ließ immer noch zu Wünschen übrig. Doch trotz einer für französische Verhältnisse großzügigen Garantie und einem großen Facelift 1953 war der Ruf der Vedette nicht mehr zu retten.
Auch der Hercules Diesel kam 1950 viel zu
spät, der Bedarf an neuen LKW war schon gedeckt. Hispano-Suiza lieferte Gussteile für
die Hercules Motoren, Arbel und Lobstein LKW-Rahmen, Genève die
LKW Instrumentenbretter. 1951 erteilte das
Verteidigungsministerium einen Großauftrag über 2.000 LKW mit
6x6 Allradantrieb. Dieses Modell musste jedoch erst noch entwickelt werden.
Als Übergangslösung lieferte Poissy 560 normale Benzin-Lastwagen.
Doch mit den Sparplänen im Jahr 1952 zog die Regierung ihren Auftrag
zurück und kaufte nur ganze zehn LKW. Lehideux feuerte sofort einige
hundert Arbeiter.
Ab 1950 kam es immer wieder zu gewalttätigen
Streiks im Werk. Natürlich sah man in Amerika nicht tatenlos zu. Radikale
Maßnahmen wurden für SAF angeordnet, doch insgeheim suchte man
schon einen Käufer für das Werk. Am 4. Juli 1954 übernahm
SIMCA Poissy, zusammen mit dem in USA und Deutschland neu entworfenen Modell
Versailles.
Zunächst hielt Ford noch 18% der
Anteile, stoß diese aber 1958 auch ab.
Ein ganz neues Kapitel schlug Ford im Jahre 1972 mit der Übernahme des Baggerfabrikanten Richier auf. Richier war mit den Oleomat-Maschinen der H-Serie besonders in Frankreich bekannt. Ford gliederte die Bagger in sein damaliges Baumaschinen Programm ein. Richier-Bagger wurden ab 1968 auch in Deutschland im DEMAG Verkaufsprogramm angeboten. Es entstanden zahlreiche Typen, von kleinen H8 bis hin zum großen H52. 1983 stieg Ford aus dem Baumaschinengeschäft aus und Richier war kurzzeitig eigenständig. 1984 war endgültig Schluss. Das Werk Charleville aus dem Jahr 1933, das nach der Richier Übernahme weiter betrieben wurde, gehört heute zu Visteon. In den nächsten Jahrzehnten blieb für Ford Frankreich nur der Motorsport wie beim 24h Rennen von Le Mans, obwohl der Marktanteil seit der Schließung von Poissy stetig stieg.
Ford benötigte dringend ein Automatikgetriebe für den kleinen Fiesta,
der auch auf dem US Markt Furore machen sollte. Viele mögliche
Standorte wurde in Frankreich untersucht. Am 19. Juni 1973 wurde das
neue Werk Autotrans in Bordeaux-Blanquefort von Henry Ford II und Lee
Iacocca eingeweiht, drei Jahre später kam ein zweites Werk
für größere Automatikgetriebe und Schaltgetriebe hinzu.
1985 begann Bordeaux in Zusammenarbeit mit FIAT und Van Doorne ein stufenloses Getriebe für den Fiesta und
den FIAT Uno zu bauen, das sog. CTX erwies sich jedoch als nicht ausgereift und wird von den Kunden nicht angenommen.
Im Jahr 2000 übereignete Ford alle europäischen Schaltgetriebe-Werke mit seinen 860 Mitarbeitern in ein neues Jointventure, die GETRAG Ford Transmission GmbH (GFT). Nur das Automatikgetriebe Werk gehörte nach wie vor zu Ford, wurde aber im August 2019 endgültig geschlossen. Das GETRAG Werk geht 2021 an Magna.