Baujahre: 1976-80 in Saarlouis, Oktober 1979-1983 in Köln, ab Oktober 1976 in Valencia (E), ab Mai 1977 in Dagenham (GB);
Stückzahl mehr als 2,5 Millionen
Motor: 1,0-1,6 Liter Vierzylinder
Reihenmotor 40-86 PS, quer eingebaut, Frontantrieb
Fiesta 1976
Anfang
der 70er Jahre kamen erste Gerüchte über
ein neues Fahrzeug von Ford auf. Man denkt an die Weltwirtschafts- und
Ölkrise, aber auch an eine knallbunte kulturelle Entwicklung.
Schon 1969 werden in Dearborn erste Untersuchungen für
einen Kleinwagen gestartet. Der erste Entwurf mit quer
eingebautem
Vierzylinder Motor und Frontantrieb aus dem englischen Dunton hörte auf
den Namen "Nevada", ab 1973 lautete der Entwicklungs-Code für den
späteren Fiesta "Bobcat".
Der "blaue Wagen" von de
Tomaso war der erste Prototyp. Er wurde 1972 in
Turin bei Ghia
in 53 Tagen auf der Bodengruppe eines Fiat 127 gebaut. Der
"Bobcat" soll den "Zahn der Zeit" treffen. Günstig im Preis, gering
im Verbrauch und aktuell im Design. Phantasievoll wurde spekuliert,
daß der "Bobcat" etwas mit dem Ford-Vorstand Robert ("Bob") A. Lutz
zu tun habe. Dabei ist Bobcat ganz einfach eine kleine amerikanische
Wildkatze, die auch als Rotluchs bezeichnet wird, und in südlichen
Bereichen Amerikas bis nach Mexiko
zu finden ist.
Der Kleinwagen lehnt sich konzeptionell
an den FIAT 127 an, auch das Styling kommt aus Italien vom Ghia Chef
Designer
Tom Tjaarda. In diesem Entwicklungsstadium hatten sich
die unterschiedlichsten Stilstudien aus Turin, Dunton, Merkenich und
Dearborn
bereits angenähert. Die endgültige Bobcat-Version
verdankt ihre Linienführung mehrerer dieser Projekte.
Erst
am Donnerstag, den 18. Dezember 1975, wurde das Geheimnis
gelüftet, und das von niemand Geringerem als Henry Ford II. Der
gab auf einer Pressekonferenz in Detroit bekannt: Ford Kleinster wird
„Fiesta“ heißen. Im Juni 1976 wird der völlig neu
entwickelte Ford in Köln der Presse vorgestellt. Damit bot Ford als einziger
deutscher Hersteller eine Palette von fünf verschiedenen
Baureihen,
vom modernen Kleinwagen mit Frontantrieb bis zur Dreiliter-Sechszylinder-Limousine. Der
kleine Frontriebler repräsentiert gleichzeitig die bis dato
größte
Investition in der Geschichte des Unternehmens. Er kommt zunächst
mit
Motoren von 1,0 und 1,1-Liter Hubraum und einer Leistungsspanne von 40
bis 53 PS auf den Markt. Dessen Entwicklung hatte
größtenteils in Köln stattgefunden und die für
damalige Verhältnisse enorme Summe von 112 Millionen DM gekostet.
Das Resultat indes überzeugte: Der wirtschaftliche Kompaktwagen
mit Quermotor, Frontantrieb und Heckklappe sollte nämlich von der
Kundschaft begeistert aufgenommen werden und schnell zur festen
Größe in einem Segment werden, das er sich mit namhaften
Konkurrenten wie dem Renault 5 und dem VW Polo teilte.
Schnell wird der Kleine in ganz Europa
zum beliebtesten Auto seiner Klasse. Und er sollte mit einer
beneidenswerten Eigenschaft ausgestattet sein, die weder ein Ingenieur
entwickeln noch ein Designer vorbestimmen kann: Er sollte die Herzen
der motorisierten Weiblichkeit im Sturm erobern.
1976
gewinnt der neue Kleine das erste
'Goldene Lenkrad', später wird er noch mehrmals zum "Auto der Vernunft"
gekürt. Im Sommer wird er den USA eingeführt. Dort allerdings
mit einem 1,6 l Motor. Erweiterung der Motorpalette durch einen 1,3 l
Motor
mit 1.263 ccm, 66 PS bei 5600 U/min, 158 km/h.
Bemerkenswert auch der nach dem Tragflächenprinzip arbeitende
Kühlergrill, dessen Lamellen die Luft bei langsamer
Geschwindigkeit ungehindert einströmen ließen, während
sie bei hohem Tempo einen Großteil des Fahrtwindes effizient
über den Wagenbug ableiteten. Dieses von Ford patentierte System
war für ein weiteres Technik-Highlight mit verantwortlich: Mit cw
= 0,42 besaß die Karosserie des kompakten Ford den besten
Luftwiderstandsbeiwert des gesamten Kleinwagensegements – was wiederum
dazu beitrug, dass sich der Fiesta als wirtschaftliches Fahrzeug mit
niedrigem Kraftstoffverbrauch einen Namen machen konnte.
Dessen Antrieb auf die Vorderräder erfolgte über eine
Achskonstruktion, die 1949
der Ford-Ingenieur und spätere
Ford Vizepräsident, Earle S. Mc-Pherson, zum
Patent angemeldet hatte. Die Hinterachse in
Panhard-Schraubenfeder-Bauweise (Pressetext: Weil der Fiesta
ein Fronttriebler ist, braucht die Hinterachse nur hinterher zu laufen)
verfügte über eine neu entwickelte
Bremsmomentabstützung, die beim Verzögern das Eintauchen der
Karosserie verhinderte. Sportlich ambitionierten Fahrerinnen und
Fahrern bot sich zudem der Fiesta „S“ mit gestraffter Federung plus
vorderem Stabilisator als querkraftresistenter Weggefährte an.
Auch fortschrittliche Elemente wie eine Verbundglas-Windschutzscheibe,
Automatikgurte vorn und heizbare
Heckscheibe zählten schon in der ersten Fiesta-Generation zur
Serienausstattung. Darüber hinaus hielt die Optionsliste ein
schickes Detail bereit, das selbst Nobelwagen fein
herausputzen würde – gemeint waren in verschiedenen
Ausführungen lieferbare Sonnen-Hubdächer. Auch sonst hielt
der Pressetext mit Vorzügen nicht hinter dem Berg: Dass der
Fiesta mit 700 Kilogramm zu den Leichtgewichten unter den Kleinen
zählt, mit 1,2 Kubikmetern den größten Laderaum, die
beste Rundumsicht und das günstigste aerodynamische Design seiner
Klasse besitzt, schafft ihm in Mini-Kreisen Wettbewerbsvorteile.
Zuerst
nur im neuen spanischen Werk Valencia
und in Saarlouis gebaut, startet ein Jahr später auch die Produktion
in Dagenham. Sogar in Australien sollte der Wagen ursprünglich gebaut werden, das Land für ein neues
Werk in Ingleburn (New South Wales) wurde schon gekauft. Bereits nach
einem halben Jahr sind 118.400 Fiesta
verkauft. Das ist das beste Verkaufsergebnis für ein neues Fahrzeug
in Europa.
1978 wird er vom Britischen Design Council
als "beispielhafter Beitrag zur Reduzierung von Betriebs- und
Wartungskosten"
ausgezeichnet. Anfang 1979 lief im Ford Werk Saarlouis
nach einer Produktionszeit von nur 31 Monaten und
29 Tagen der Millionste Ford Fiesta vom Band. Kein anderes
europäisches
Auto außer dem VW Golf hatte bis dato so hohe Produktionszahlen
in ähnlich kurzer Zeit erreicht. Bis 1981 wurde der kleine Ford
in den USA angeboten, stets mit dem größten Motor, dicken
Stoßstangen und auf Wunsch sogar einer Klimaanlage.
Zu den Sondermodellen, die den Verkauf des Bestsellers weiter ankurbelten zählten u.a. der Fiesta Express, Avus II, Millionär, X, Del Sol, Bravo, Lady, Super S sowie der Festival. Als kleiner Lieferwagen kommt der Fiesta mit verblechten hinteren Seitenscheiben und ohne Rücksitzbank daher. So kommt man in einigen Ländern in den Genuß von reduzierten Steuersätzen. Als Stylingstudie auf Basis des Fiesta präsentiert Ghia 1978 den geländetauglichen Tuareg - lange vor Volkswagen und Ford Fusion!
Fiesta XR2 1982
Ein
Fiesta 1,6 beendet 1980 die Rallye Monte Carlo auf dem zehnten
Gesamtrang. Am Steuer der spätere Weltmeister Ari Vatanen. Die
Motorsporthistorie von Ford ist keineswegs eine Monokultur Lenkrad
beißender Herrenfahrer, auch eine erkleckliche Zahl flotter Damen
konnte sich hier verewigen – und dies nicht nur als knapp verpackte
Boxenluder. So hoben die Ford-Motorsportstrategen um Lothar Pinske
Deutschlands erste Frauen-Rennserie aus der Taufe, den „Ford Ladies Cup
´82“. Im Rahmenprogramm von Topserien wie der „Deutschen
Automobil Rennsportmeisterschaft“ (DRM) und der
Tourenwagen-Europameisterschaft sollten zwanzig Amazonen zwischen 18-29
Jahren, ledig, ausgestattet mit einem Führerschein der Klasse III
und Fahrpraxis, die Schnellste unter sich ausmachen.
Für die erforderliche Ausrüstung inklusive Hotel, Reise,
Verpflegung und Preisgeld kam Ford auf. Ebenso für das
Sportgerät, das die Gesamtsiegerin der sechs Läufe als Gewinn
behalten durfte: einen knapp 90 PS starken und rund 180 km/h schnellen
Fiesta XR2 in voller Race-Montur, ausgestattet mit
Überrollkäfig, Feuerlöscher und Hosenträgergurt.
Schon
in den Bewerbungen ging´s zur Sache: 120 Kandidatinnen
sollten zum Sichtungslehrgang an den Nürburgring eingeladen
werden, und schon um deren Auswahl aus fast 1.400 Bewerbungen ranken
sich unterhaltsame Storys – zu finden im Buch
„Momentaufnahmen“, verfasst und bebildert von den
Rennsport-Koryphäen Rainer Braun und Ferdi Kräling: Unter der Rubrik „Körpergröße“ trug eine Bewerberin
die Maße 94-62-94 ein und schrieb in Klammern dahinter „das ist
nicht meine Telefonnummer“. Und eine Vize-Miss Germany unterstrich ihre
Kurvenleistungen auf dem beigefügten Großfoto mit einem
klatschnassen T-Shirt.
Premierentag war Freitag, der 4. Juni 1982, Ort der Handlung der
Flugplatzkurs im niedersächsischen Wunstorf. Wie sich
herausstellen sollte, zeigte die neue Rennserie nicht nur unter dem
Aspekt Motorsport, sondern auch „rein zwischenmenschlich“ enormen
Recherchebedarf.
So kam es, dass plötzlich jedermann (zu betonen auf der Endsilbe)
bei Ford etwas zu tun hatte. Zitat des Sportchefs Pinske aus besagtem
Buch: „So viel Besuch hatten wir in den ganzen fünf Jahren bei
der Rennsport-Meisterschaft nicht.“ Allerdings
wird auch – glaubhaft – berichtet, dass die Herzen der zwanzig Amazonen
trotz unzähliger Attacken zumindest an Vorabend des ersten Rennens
ungebrochen geblieben, in erster Linie wohl ein Verdienst der
Ford-Tourenwagenlegende Dieter Glemser, dem Hüter der quirligen
Damenriege.
Motorsport wurde schließlich auch geboten, und zwar richtig. Denn
nicht nur in Wunstorf, auch bei den Folgeveranstaltungen sorgten die
Rennmädels für Stimmung auf den Tribünen. Zudem
lieferten sie beachtliche Leistungen als
Ford-Öffentlichkeitsarbeiterinnen ab, wie in „Momentaufnahmen“
nachzulesen ist: Vor und nach Wunstorf bescherte der frisch
installierte Ladies-Cup dem Unternehmen und dem Produkt Fiesta XR2 eine
Pressekampagne, die von ihrer Wucht und Auflagenstärke her jede
Neuwagenvorstellung übertraf.
Siegerin des ersten Laufs wurde Annette Meeuvissen, die auch
nach
Abschluss der Sechserserie vorne lag, und zwar punktgleich mit ihrer
schärfsten Konkurrentin Delia Stegemann. Weil die jedoch ein
Rennen mehr gewonnen hatte, ging die Meisterschaft an sie und der XR2
in ihren Privatbesitz über. Doch statt eiserner
Regel-Konformität ließ Ford Fingerspitzengefühl walten.
Auch die blonde Annette durfte wegen ihrer exzellenter Darbietungen ein
brandneues Produkt der Baureihe mit nach Hause nehmen.
Die deutsche Neuzulassungsstatistik der ersten sieben Monate im Jahr 1982 (42.161 Einheiten, 3,1% Marktanteil) wies trotz zunehmenden Wettbewerbsdrucks erneut den Fiesta als meistzugelassenen Wagen seines Segments aus und führte damit eine erfreuliche Tradition fort: Immerhin hatte der Kölner seine Klasse bereits in den Jahren 1977 bis 1981 ohne Unterbrechung angeführt.
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