Im Jahr 1907 gründeten die Brüder Gaston und Jules Chausson in Asnières bei Paris ihre für "Kupferwerkstatt für Autoindustrie und Luftfahrt". 1924 wird sie in eine Aktiengesellschaft umgewandelt und beschäftigt sich fortan hauptsächlich mit der Fertigung von Automobilkühlern, aber auch Tanks, Motorhauben und Kotflügeln. Zu den ersten Kunden zählen Peugeot, Chenard und Walcker sowie Delage.
Im ersten Weltkrieg liefert man Granaten und Kühler für SPAD Jagdflugzeuge. Die Storchenflügel als Wappen der berühmten Jagdstaffel finden sich nun auch im Chausson-Logo, ebenso wie bei Hispano-Suiza. Nach Kriegsende wird Citroën mit seinem Typ A wichtigster Kunde für die Kühler aus Asnières.
Offensichtlich lief der Betrieb recht erfolgreich, denn ab 1925 werden die Gebäude stetig erweitert. Mitten in der Weltwirtschaftskrise 1930 übernimmt man den Hauptkonkurrenten Jean Galley mitsamt allen seinen Werkstätten und Patenten. Zwei Jahre später ereilt dasselbe Schicksal auch Gilbert Lan, Fernier und Cie.
Im Jahr 1934 beliefert Chausson fast alle französischen Automobilhersteller mit hochwertigen Kühlern. Auch der Export läuft prächtig, wie ein Blick unter viele Opel und Ford Motorhauben verrät. Zudem erwirbt Chausson von Budd (USA) Lizenzen für Ganzstahlkarosserien. So werden ab 1932 u.a. Chenard und Walcker, Peugeot, Citroën beliefert und LKW-Führerhäuser für Ford-Frankreich produziert. 1935 übernimmt Chausson als Hauptgläubiger den benachbarten fünftgrößten französischen Fahrzeughersteller Chenard und Walcker, der nun auch das Werk in Asnières nutzt.
Matford HO Coupé 1934Dem französischen Ford Werk in Poissy fehlte sowohl ein eigenes Preßwerk als auch eine Gießerei. So kam es zur Zusammenarbeit mit Chausson, die die Karosserien nach Poissy und ins Elsaß zu Mathis lieferten. Mathis bezog auch die Ford V8 Motorblöcke für den Matford V8 von Chausson.
Im Juli 1942 beginnt Chausson inmitten von Gennevilliers mit dem Bau von Reisebussen mit Hotchkiss Benzinmotor (Typ AHE = Autobus Hotchkiss Essence). Ein erster Prototyp dieses "autocar révolutionnaire" entstand schon vor dem Krieg auf Chenard-Walcker Basis.
Pierre Chausson übernahm von seinem Vater die Geschäftführung und sah den Aufschwung im Personenverkehr nach Kriegsende voraus. Bald werden die "Schweineschnauzen" Marktführer auf dem heimischen Markt und man wechselt auf sparsamere Diesel-Motoren von Panhard-Levassor, Hispano-Suiza, Somua oder später Renault (APH / ASH = Autobus Panhard Huile / Autobus Somua Huile). Chenard-Walcker mußte bereits 1944 die Produktion einstellen.
Die Fertigungsmethoden im nun mit 200.000 m² doppelt so großen Chausson Werk sind fortschrittlich: Die Busse werden aus einzelnen, oftmals baugleichen Modulen zusammengesetzt. So spart man Platz, kann teure Werkzeuge mehrfach nutzen und viele Varianten anbieten. Zum typischen Merkmal wird die hintere Einzelbereifung. Fast in jeder französischen Stadt finden sich bald die Frontlenker Linien- und Reisebusse. Sie gelten als modern, leicht, wirtschaftlich, geräumig und konnten auf Wunsch sogar mit Küche und Toilette bestellt werden. Auch Trolleybusse für Elektroantrieb werden gebaut. Schon 1948 wird der 2.000ste Bus ausgeliefert.
Die Heckmotor Busfertigung teilte sich auf drei Standorte auf: In Meudon wurden Tiefziehbleche und andere Karosserieteile produziert. Für den Karosserierohbau war das Werk in Gennevilliers zuständig. Die Endmontage erfolgte in Argenteuil.
Im Jahre 1952 werden in Argenteuil alle Kundendienste und Reparatur für Reisebusse zentralisiert. Chausson behauptete damals nur drei Wochen für den Bau eines Busses zu benötigen und ständig 60 Fahrzeuge im Bau zu haben. Im Jahre 1956 feiert Chausson den 10.000sten Bus, während Renault nur auf die Hälfte kam. Im selben Jahr nahm auch ein Chausson Bus die abenteuerliche Reise von Paris nach Bombay auf sich.
Dennoch wird 1959 die Bus-Fertigung von der Renault Nutzfahrzeug-Sparte SAVIEM übernommen und die Produktion zum Teil verlegt. Das Chausson Logo taucht noch bis 1964 an den SC-4B Bussen auf. Insgesamt wurden ca. 16.000 Busse mit dem Chausson Signet gebaut.
Vedette Prototyp in Monthelery
Nach Kriegsende investierte Ford Frankreich 400 Millionen Franc um bei Chausson in Gennevilliers die Aufbauten für die komplett neue V8 Vedette Limousine bauen zu lassen (die Coupé Karosserie kam von Rosengart). Zwischen 50.000 und 70.000 Ford mußten gebaut werden um diese Investition zu amortisieren. Doch die mit blauem Wachs geschützten Karossen wurden in lausiger Qualität bei Ford in Poissy angeliefert. Fehlerhafte Schweißnähte, mangelhafte Maßhaltigkeit und schlechtes Finish sorgten für viel Ärger. Streiks bei Chausson behinderten die pünktliche Anlieferung. Zudem war der antiquierte V8 Motor nicht unbedingt das, worauf die Kunden in der Nachkriegszeit gewartet hatten. Die fehlende Fertigungstiefe bei Ford Frankreich sorgte für niedrige Erträge. Es kam wie es kommen mußte: Trotz vielen Bemühungen die Vedette doch noch erfolgreich zu machen wurde Ford Frankreich 1954 an SIMCA verkauft.
Erste Entwürfe für den deutschen FK1000 Kleintransporter waren mit Hilfe der französischen Ford-Tochter in Poissy erarbeitet worden, die wiederum mit Chausson kooperierte. Letztere waren auch unter Leitung des Karosserie-Fachmanns Larry Boysel am Weltkugel-Taunus beteiligt. Wer genau hinschaut erkennt durchaus Ähnlichkeiten zwischen Ford FK1000, Renault Estafette und einem Chausson Bus (z.B. Gestaltung der Frontmaske, seitliche Sickenbleche).
Ein neuer Ableger in der Champagnerstadt Reims widmet sich seit 1953 dem Bau von Kfz-Heizungen, Klimaanlagen und sogar Kühlschränken. 1960 kommt noch das Spezialgebiet Werkzeug-, Anlagen- und Tiefziehtechnik hinzu. Die Sparte Autokühler ging 1965 an Sofica (heute zur Valeo Gruppe gehörend).
In den 50er Jahren wird mit dem Erscheinen der Corvette Kunststoff für den Karosseriebau populär. Chausson möchte diesen Trend natürlich nicht verpassen. Die erste Anwendung findet sich im Deutsch-Bonnet (DB) Coupé mit einteiliger Karrosserie und Panhard Motor. Doch nach nur einhundert Fahrzeugen kommt das Aus für dieses interessante Projekt. Panhard selbst wechselt 1953 seinen Karosserielieferanten FACEL und ging zu Chausson.
Erfolgreicher ist der DB HBR, der in über vierhundert Exemplaren von "Société Plastique" in den Vogesen mit Chausson Lizenzen gebaut wird und bis 1961 unzählige Siege im Motorsport einfahren kann. Ein anderes Sportwagen Projekt wird nach der Übernahme von Chausson zusammen mit Bernhard Boyer initiiert: Der M63 kann als Urahn der Renault-Alpine Sportwagen gelten.
Zu den PKW mit Chausson Karosserie zählten weiterhin Panhard Dyna, Renault Juvaquatre, SIMCA Versailles und Citroën SM. Chausson galt als wichtigster Lieferwagen Spezialist Frankreichs (z.B. Renault Trafic oder der sechsrädrigen Citroën C15), wirkte aber auch an Cabriolets für seine Hauptaktionäre Renault und Peugeot mit. 1972 beschäftigt Chausson 3.467 Mitarbeiter.
Doch in den 80er Jahren bekam man die Krise der Automobilindustrie zu spüren. Nach mehreren Umstrukturierungen zog sich Chausson vorerst aus der Karosseriefertigung zurück. Wohl auch weil fast alle ehemaligen Kunden mittlerweile nicht mehr existent sind mußten 1990 die Fabriken in Asnières und Meudon ihre Türen schließen.
Mit dem Wohnmobil-Sektor fand man vor 25 Jahren ein neues Standbein und so tragen heute wieder Ford Transit Fahrgestelle einen Chausson Camper-Aufbau aus Tournon.
tm
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