Ford Türkei

Otosan

Kraftfahrzeuge waren im Ottomanischen Reich um die Jahrhundertwende sehr selten, nur ein paar Ausländer betrieben ihre Autos mit einer Sondergenehmigung des Sultans. Erst ab 1909 tauchten Militärfahrzeuge auf und auch die Kabinettsmitglieder legten sich sukzessive eigene Autos zu.

Als erster Ford (ein Import aus den USA) in der Türkei gilt der Wagen des Kriegsministers Enver Pasha. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Firma Sirkeci in Istanbul gegründet. Sie vertrieb 1924/25 Ford, Chevrolet und Studebaker. 1928 eröffnete der anatolische Kaufmann Katipzade Sabri eine Ford Niederlassung in Istanbul. Vehbi Koç erhielt die Rechte für die Region um Ankara (und ab 1946 auch für Ostanatolien).
Vor dem Zweiten Weltkrieg dominierten Ford und Chevrolet den türkischen Markt. 1925-30 schossen in Istanbul überall Taxi-Stände aus dem Boden, je nach Fahrzeugtyp wurden sie "Ford-Stop", Chevrolet- oder FIAT-Stop genannt. 1928 gab es 1.500 Kraftfahrzeuge im ganzen Land und der Staat begann Fordson und Hanomag Traktoren zu importieren, die an weniger vermögende Bauern übergeben wurden.

Ford Werk Istanbul
Ford Werk Istanbul

Ford England bat die türkische Regierung in Istanbul ein Montagewerk bauen zu dürfen. Dem Antrag wurde stattgegeben und das ehemalige Zoll-Lager in Tophane wurde als Gebäude ausgewählt. 1929 begann die Produktion mit 500 Arbeitern für die Märkte in Russland, dem Balkan, Iran und natürlich der Türkei. Das Werk verfügte über zwei Heizungen zum Lackieren und Trocknen, eine elektrische Schweißanlage, pneumatische und elektrische Maschinen und Fließbänder. Alle Bauteile durften zollfrei eingeführt werden.
Mit der Weltwirtschaftkrise verließen ab 1930 viele ausländische Investoren das Land. Hinzu kamen Beschränkungen durch das Gesetz "zur Bewahrung der türkischen Lira". Die Stimmung wurde zunehmend Ausländer feindlicher und so kam es schon mal vor, daß Kisten mit Autoteilen ins Meer geworfen wurden. Ford stellte daraufhin 1934 die Fertigung ein, der erste Anlauf in der Türkei war gescheitert. Aber das Werk fungierte weiter als Reparatur- und Ersatzteilbetrieb. Man spricht von insg. 15.000 Fahrzeugen, die in den zweieinhalb Jahren in Istanbul gebaut wurden. Einige Einrichtungen wurden in dieser Zeit nach Bukarest und Alexandria verlagert.

1946 sollten 272 Ford Militär-LKW nach China verschifft werden. Durch die politischen Umwälzungen im Bestimmungsland kam es jedoch nicht dazu und die Lieferung endete in der Türkei. Koç verkaufte sie für Ford an das türkische Verteidigungsministerium.
Koç bat Ford ein Montagewerk für Traktoren bauen zu dürfen, jedoch ohne Erfolg. Daraufhin bemühte er sich den Vertrieb der Ford aus Alexandria übernehmen zu dürfen. Stanford Cooper, Direktor von Ford England, vergab alle Lizenzen an ein anderes Unternehmen: Ziraai Donatim Kurumu (die Gesellschaft für landwirtschaftliche Entwicklung). Doch Koç gab nicht auf.    

In den 50er Jahren wuchs der Fahrzeugbestand, zumeist durch Importe, drastisch an, auch das Straßennetz wurde ausgebaut. In dieser Zeit wurde der türkische Markt von der Ford Niederlassung in Ägypten betreut. 1954 schlugen Vehbi Koç und Bernar Nahum Ford Ägypten vor ein Montagewerk in der Türkei zu bauen um die Einfuhrauflagen zu umgehen. Parallel dazu unterbreiteten Kemal Inan, Koç Ceo und Bernar Nahum Ford Dearborn den gleichen Vorschlag.
Nach vielen Anläufen kam es 1956 endlich zu einem Treffen zwischen Vehbi Koç und Henry Ford II. Doch Ford blieb zögerlich: "Es wird schwierig werden unser Komitee zu überzeugen, da es sich um ein sehr kleines Projekt handelt."
1958 wurde der Ford Manager Richards in die Türkei entsandt. Er hatte zuvor schon ein Montagewerk in den Philippinen errichtet. Sein Besuch endete mit der Entscheidung den Bau eines Werk unter bestimmten Auflagen zuzulassen. Die türkischen Einfuhrbestimmungen blieben hart. Die Regierung schlug vor Ford sollte Chrom im Wert von zwei Millionen Dollar aus der Türkei erwerben, im Gegenzug sollten die zerlegten Fahrzeuge eingeführt werden. Das Protokoll enthält auch eine Fläche in Istanbul, Grund und Kapital sollten von türkischen Investoren bereitgestellt werden. Ford sollte Maschinen und Einrichtungen im Wert von 250.000 $ stellen. Man plante 1.200 amerikanische LKW und 600 aus England oder Deutschland zu bauen.

Vehbi Koç und seine Partner fanden ein Gelände in Kadiköy-Çayýrova. Das neue Unternehmen mit dem Namen Otosan (Kurzform von Otomobil Sanayi = Automobilindustrie) wurde 1959 gegründet. Die Produktion begann am 14. Juli 1960, als ein erster roter F-600 um 10:15 Uhr das Montageband verließ. Auf einer Fläche von 4.000 qm bauten 120 Arbeiter im Jahr 1960 2.400 D-750 LKW und 1.200 PKW.
Otosan hatte drei einzelne Verträge mit Ford USA, England und Deutschland, jeweils für einen Zeitraum von fünf Jahren. Die komplette Belegschaft war türkisch, acht Ford Thames LKW und vier Consul konnten täglich gebaut werden.

1960 plante die Türkei eine komplett einheimische Automobilfabrikation aufzuziehen. Nach einer dreitägigen Konferenz wurde die Planungsbehörde beauftragt binnen 99 Tagen ein türkisches Auto im Eisenbahnwerk Eskisehir zu bauen. Das Auto wurde gebaut und auf den Namen Devrim (Revolution) getauft. Präsident Cemal Gürsel fuhr den Wagen am Nationalfeiertag und blieb mitten auf der Straße ohne Benzin liegen.

Otosan Anadol
Otosan Anadol

Trotz dieser Enttäuschung baute Ford-Otosan ab 1966 den "Anadol" mit Fiberglaskarosserie in Zusammenarbeit mit Reliant in Großbritannien. Ford lieferte den Antrieb des Cortina, Ogle (GB) übernahm in Entwicklung der Kunststoffkarosserie. Bis zur Ölkrise wurden 63.000 PKW und 12.000 LKW bei Anadol gebaut, dann wurde die Produktion der Plastikkarosserie eingestellt, weil der Grundstoff Öl knapp wurde. Obwohl Gerüchten zufolge die Ziegen gerne an den Anadols knabberten standen die Kunden Schlange um eins der begehrten Fahrzeuge kaufen zu können. Später baute man sogar ein nettes Coupe auf Ford-Basis, den Anadol STC16. 

Schon ab 1967 wurde der Transit Kleintransporter bei Otosan gebaut, 1977 erwarb Otosan die Lizenz zum Bau der Ford D-1210 LKW-Reihe. Ford ängstigte jedoch die wirtschaftliche Krise in der Türkei und fürchtete es gäbe keine Abnehmer - offenbar zu Unrecht, denn 56.126 Einheiten wurden gebaut bis der Nachfolger Ford Cargo bereit stand. 

Ford Taunus Otosan
bei Otosan gebauter Ford Taunus

Erst ab 1980 wurden die Einfuhrbeschränkungen schrittweise liberalisiert. 1981 begann ein Joint-Venture zwischen Ford und Otosan mit dem Bau des Taunus III als viertürige Limousine, Kombi und P100 Pick-Up. Bis 1993 entstanden 50.927 Taunus am Bosporus. Vom Escort wurden anschließend zwischen 1993 bis 1999 genau 41.969 Fahrzeuge gebaut.
Ein zweites Werk in Inönü (1982) hat eine Kapazität von 10.000 Cargo LKW, 10.000 Transit und lieferte zudem jährlich 40.000 Benzin- und Dieselmotoren. Motoren und Kurbelwellen wurden sogar nach Deutschland exportiert, "Dover"-Motorenteile nach England. Im Gegenzug erhielt man Preßwerkzeuge aus Deutschland, England, Belgien und Südafrika.

HAMA (heute Hattat) begann 1976 mit dem Vertrieb von Ford Ackerschleppern und fertigt später Ford Traktoren in Lizenz, ein weiteres Montagewerk entstand in Pakistan.

Ford Cargo
Ford Cargo Otosan

Ein 500 Mio. $ Projekt zum Bau von Ford Transit im neuen Werk Gölcük wurde von Premierminister Mesut Yilmaz unterstützt. Trotz Gerüchten über illegale Geschäfte legten Präsident Süleyman und Premierminister Demirel 1998 den Grundstein. Ein Großteil des neuen Werks rutschte bei einem Erdbeben 1999 ins Meer. Ford ließ alle Schäden beseitigen und begann 2001 mit der Produktion des Transit Connect.

Ford Transit Connect
Transit Connect

Neben 100.000 Fahrzeugen diesen Typ können jährlich auch 40.000 Transit und 10.000 Cargo LKW in Inönü gebaut werden. Die restlichen Einrichtungen aus Istanbul wurden 2003 in das Werk in der 105 Kilometer östlich von Istanbul am Golf von Izmit gelegenen Stadt Kocaeli verlagert.
2007 wird ein neues Entwicklungsbüro von Ford Otosan in Gebze südlich von Istanbul eingeweiht. Die Cargo LKW Reihe (heute F-Max) wird seit 1991 komplett in der Türkei weiter entwickelt.

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