Hilfe - mein Buckel pfeift!!!

(Anm. d. Netzmeisters: Auch hier behandelt Volvo Club-Vorsitzender Dieter natürlich wieder "seine" Marke...)
Er pfeift ein lustiges Liedchen und nervt mich gewaltig! Diese musikalische Untermalung des allgemeinen Fahrgeräusches tritt bevorzugt bei frühen B4 Motoren, ebenso wie bei B16 und B18 mit Fallstromvergaser Zenith VN 34/36 oder Carter Ball&Ball Vergasern auf. Der Fehler zeigt sich wie folgt: Der Motor läuft nicht sauber rund, die Beschleunigung ist bescheiden, allgemeines Motor(Mager-)ruckeln ist zu beobachten. Zu Deutsch: die Kiste läuft wie ein Sack Nüsse. Und keiner weiß warum, ja wenn nicht dieses nervtötende Pfeifen zumeist im Leerlauf wäre. Der Buckel tönt wie Ilse Werner in Ihrer besten Zeit.
Ventileinstellung, Kompression und Zündung stimmen. Zündkabel, Kerzen und Kontakte sind in Ordnung, somit die üblichen Verdächtigen ausgeschlossen. Also: WAT NU?

Ein pfeifendes Geräusch kann mehrere Ursachen haben. Es kann ein Lagerpfeifen sein, wenn z. B. ein Limalager kurz vorm Fressen ist, die Wasserpumpe sich mal wieder verabschiedet oder ganz einfach der Keilriemen Marke „Asbach“ sprich uralt ist. Trifft aber hier alles nicht zu, denn: siehe Logik - all diese Fehler bedingen keinen schlechten Motorlauf! Wenn Ihr aber nicht sicher seid: Keilriemen runter und Motor kurz laufen lassen. Geräusch weg = suchen bei Wapu, Lima und Keilriemen. Der schlechte Motorlauf hat dann andere Ursachen. Ein Pfeifgeräusch entsteht auch wenn Luft irgendwo rein oder rausströmt. (Gut zu hören wenn man ohne Luftfilter (hier in seiner Funktion als Ansauggeräuschdämpfer) oder mit diesen unsäglichen K&N Krücken fährt.) Gehen wir davon aus, dass dies hier der Fall ist. Es pfeift... nur wo?

Da Turbos und sonstige Lader auf B18 seltener anzutreffen sind, kann ich mir das „Pfeifen unter Überdruck“ hier sparen. Weiter geht’s mit Logik, womit auch sonst... Ob nur einer, oder alle Zylinder schlecht laufen, stellt man einfach dadurch fest, dass man mit einer entsprechend abisolierten Zange einen Kerzenstecker nach dem anderen abzieht, beobachtet ob die Drehzahl sinkt und dann den Stecker wieder aufsteckt. Reagieren alle Zylinder gleich, so heißt das: Ansaugkrümmerdichtung in Ordnung. Hier dringt keine so genannte „Falschluft“ ein. Ändert sich beim Abziehen des Kerzensteckers bei einem Zylinder nichts, so liegt hier (an diesem Zylinder) ein Fehler vor.

Nun braucht Ihr Autoschraubers Lieblingschemie: Bremsenreiniger. (Gibt’s billig in Spraydosen in allen Autozubehörläden.) Dieses Zeug reinigt und entfettet normalerweise Bremsenteile, ist aber auch als Lecksuchspray bestens geeignet. Ihr sprüht die Ansaugkrümmerdichtung bei laufender Maschine mit Bremsenreiniger ein. Drei Dinge können passieren.

  1. Es ändert sich nichts. (Es liegt kein Fehler an der Dichtung vor. Alles OK)
  2. Die Drehzahl steigt oder sinkt beim Ansprühen einer bestimmten Stelle. (In welche Richtung die Drehzahl sich ändert, ist völlig egal, das ist bedingt durch die chemische Zusammensetzung eures Bremsenreinigers; man kann da im Prinzip alles nehmen was leicht brennt, nur keinen Diesel.) Hauptsache Ihr bemerkt eine Änderung! D. h. die Ansaugdichtung hat sich verabschiedet. Raus: Neu.
  3. Die Kiste brennt ab. (Ich hab doch gesagt, Ihr sollt die Dichtung einsprühen und nicht die Kerzenstecker oder den Verteiler!)

Nun in unserem Fall nehme ich Punkt 1 an. Es ändert sich nichts und der B18 hoppelt vor sich hin und pfeift lustig weiter. Wir sprühen die Vergaserfußdichtung mit Bremsenreiniger ein. Zwei mögliche Resultate:

  1. Pfeifen ist kurzzeitig weg und Motorlauf ändert sich.
  2. Nix passiert.

Bei 1 habt Ihr den Fehler gefunden, bei 2 sprühen wir die Drosselklappenwelle an. Ändert sich jetzt der Motorlauf und das Pfeifen verschwindet... Schmutz auf Euch, der Vergaser ist Kernschrott und Ihr seid wieder mal bis zum „Geht nicht mehr“ gefahren. Eine komplette Vergaserüberholung ist angesagt.

Ich nehme zu Euren Gunsten mal Möglichkeit 1 an: Die Vergaserfußdichtung ist hin. D. h. Vergaser abbauen, neue Dichtung entweder kaufen oder selber schneiden und... ja nix ist mit einfach so tauschen! Erst wird der Vergaserfuß auf Verzug geprüft. Da das Ding nur 2 Halteschrauben hat, ist nahezu immer davon auszugehen, dass der Fuß durch brutales Nachziehen krumm wie eine Banane ist. (Auch Volvos sind für zärtliche Behandlung dankbar, wenn’s auch schwer fällt!) Ihr dreht den Vergaser herum und schaut Euch das Rohr an in dem Ihr die Drosselklappe seht. Ist dieses Rohr oval oder sonst wie verzogen, hilft nur noch ein überholtes Teil (s. o. Nr. 2). Wieder mal ins Klo gegriffen. Ist das Rohr aber noch rund, die Drosselklappe lässt sich ohne Probleme auf Anschlag zurückdrehen (dazu die seitliche Einstellschraube rausdrehen) und das Drosselklappenwellenspiel ist noch akzeptabel (haben wir ja vorhin grob durch Ansprühen geprüft - wackelt aber auch mal an der Welle: geringes Spiel ist normal, mehr wie zwei Zehntelmillimeter bedingen Überholung), so kommt die große Feile zum Einsatz.

Der Vergaser wird (vorsichtig) eingespannt, Unterteil nach oben, und (zärtlich) plan gefeilt. Das hört sich entschieden leichter an, als es ist. Ich fluche dabei immer recht ausgiebig. Normalerweise braucht man zum Messen des Erfolgs ein Haarlineal, aber der nicht gezahnte Feilenrücken tut’s hier auch, oder irgendwas, wo eine 100%ig gerade Seite vorhanden ist. Wie gesagt, der Vergaserfuß muss plan sein, also: Feilen bis Ihr die Nase voll habt und der Vergaser entweder ins Auto oder in die Mülltonne kann. Bei Auflegen des planen Messwerkzeugs darf nirgendwo Licht durchscheinen, wenn ihr das ganze Arrangement vor eine Lampe haltet.

Ich geh wieder mal von der besten aller Welten aus und Ihr baut auf eine neue Vergaserfußdichtung einen perfekt plangefeilten Vergaser auf. Dichtungsmasse Curil oder Hylomar in geringen Mengen schaden nicht. (Noch ein Tip: Auch wenn Euch ein überholter Vergaser geliefert worden ist, so solltet ihr unbedingt prüfen, ob der Vergaserfuß auch geplant wurde. Einige nette Mitmenschen der Szene kassieren zwar kräftig, sparen sich aber diese wichtige Arbeit. Haut Ihnen das Ding um die Ohren!!! Innerhalb kürzester Zeit ist die „Pfeife“ wieder da.) Ihr klemmt alles wieder an, (Chokezug, Gasgestänge, Unterdruck- und Spritleitung), zieht die Gasfabrik vorsichtig fest (Unterlegscheibe und Federring nicht vergessen) und stellt den Vergaser ein.
Wir sind ja davon ausgegangen, dass alle anderen Einstellwerte korrekt sind, daher bleibt nur die Gasfabrik.
Hinten zur Spritzwand hin ist die Luftschraube, zuständig für die Leerlaufdrehzahl. Rechtsseitig in Fahrtrichtung befindet sich (unten) die Abgas- oder Gemischschraube.
Vorgehensweise: Luftschraube drei Umdrehungen vom Anschlag nach rechts drehen. Abgasschraube eindrehen bis es nicht mehr weitergeht (sehr zärtlich bitte) dann drei Umdrehungen nach links raus drehen. Motor starten. Maschine unter leichtem Gas auf Betriebstemperatur bringen (Kühler muss heiß sein) .Mit Luftschraube Leerlaufdrehzahl soweit runter drehen bis Limakontrolle aufleuchtet. (bei ca. 600 Umdrehungen) Abgasschraube eindrehen bis sich Motorlauf ändert (noch langsamer) 1 Umdrehung rausdrehen. Motordrehzahl einrichten auf ca. 800 Umdrehungen (Licht an, Gebläse an, Luftschraube rechts drehen bis Limakontrolle flackert) Abgasschraube reindrehen bis Motor langsamer läuft. Rausdrehen bis schnellster Motorlauf erreicht. Mit Luftschraube auf Limaflackerdrehzahl einrichten, Verbraucher ausschalten. Mit Abgasschraube versuchen, ob sich ein noch schnellerer Motorlauf erreichen lässt. Wenn ja, mit Luftschraube korrigieren, wenn nein, dann noch eine ¼ Umdrehung rausdrehen. Fertig. Der Motor läuft dann mit ca. 800 Umdrehungen bei 4 % CO. Und das alles ohne Abgastester und Drehzahlmesser.
Und ohne Pfeifkonzert.

Wie sehr das nervt... Fragt mal Karin Bond...

Dieter Hengstwerth

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