Ford 'Sweepstakes'

Baujahr: Mai bis Juli 1901, Stückzahl: 1 (plus zwei Repliken im Jahr 2001), Cass Avenue Dearborn/MI

Motor:
Zweizylinder Boxer Mittelmotor, quer eingebaut, gusseiserner Motorblock und Kolben, gegossene Kurbelwelle
stehende Ventile, mechanische Auspuff-Ventile, Ansaug-"Schnüffel"-Ventile
8.833 ccm Hubraum, Leistung rund 26 PS bei 900 U/min
Wasserkühlung mit Kupferrohr-Kühler

Fahrwerk:
Radstand 2.438 mm, Spurweite 1.422 mm
Schneckenlenkung, Starrachsen vorn und hinten and voll-elliptischen Blattfedern
Bremse auf beide Hinterräder
Gesamtgewicht: rund 1.000 kg

Kraftübertragung: Zweigang Planetengetriebe, Kettenantrieb auf die Hinterachse

Henry Ford und Oliver Barthel im Sweepstakes 1901
Henry Ford und Oliver Barthel im "Sweepstakes" 1901

Zehn schnelle Runden auf einem eine Meile langen Ovalkurs vor über 100 Jahren änderten für Ford alles. 8.000 Zuschauer besuchten ein Ereignis, das von der Presse als "die bisher größte Veranstaltung in den Vereinigten Staaten" angepriesen wurde. Was die Automobil-Enthusiasten sahen, war der Showdown zwischen dem berühmtesten Rennfahrer der USA und einem unbekannten Mechaniker und Bastler, dessen automobiles Abenteuer schon ein Jahr nach dem Beginn wieder zu Ende war. Sie durften auch die Geburt der Ford Motor Company bezeugen.

Henry Ford hatte zusammen mit einigen Partnern zwei Jahre zuvor 1899 die Detroit Automobile Company gegründet. Aber das Unternehmen schloß schon im darauf folgenden Jahr, nachdem nur wenige Fahrzeuge produziert wurden. Ford wollte bessere Wagen entwickeln, aber seine Aktionäre entschieden sich stattdessen die Firma aufzulösen. 1901 beabsichtigte er eine neue Firma zu gründen, die im überfüllten Markt eine neue Nische auszufüllen vermochte.

1901 sah es so aus, als ob jeder eine Autofabrik besitzt. In den USA existierten mehr als 50, die meisten davon an der Ostküste, die zusammen über 4.000 Fahrzeuge produzierten, die wiederum meist mit Dampf oder elektrisch angetrieben wurden und nicht mit Benzin. Außerdem waren Automobile etwas für Reiche. "Das Volk weigerte sich in Automobilen etwas anderes als schnelle Spielzeuge zu sehen" sagte Ford Jahre später. Aber er vertrat die entgegengesetzte Auffassung. Er glaubte, daß Automobile, in großen Stückzahlen hergestellt, eine preiswerte Transportmethode für die Masse darstellen könnten.
Um die nötige finanzielle Unterstützung zu bekommen mußte Ford potentielle Investoren von seinen Ideen überzeugen. Er mußte seinen Namen bekannt machen und sich einen Ruf aufbauen. Rennen waren eine Möglichkeit beides zu erreichen. So ging der hoffnungsvolle 38 Jahre alte Geschäftsmann den Start.

Im Mai 1901 begann Ford mit dem Bau von "Speepstakes", der später im Rennen auf der Pferderennbahn Grosse Point bei Detroit startete. Mit Ford arbeiteten Oliver "Otto" Barthel als Projekt Ingenieur, Ed "Spider" Huff - verantwortlich für die Elektrik und Zündung fuhr er als "Schmiermaxe" im Rennen mit. Der Schmied Charlie Mitchell und der Dreher und Motorenbauer George Wettrick bildeten zusammen mit dem Dreher Ed Vanderlinden den Rest des Teams.
Das Fahrgestell besteht aus einem mit Stahlbeschlägen verstärkten Eschenholzrahmen, vorn und hinten an Blattfedern ausfgehängt. Die Achsen werden durch das von Ford patentierte "Reach-Rod" System gehalten. Die Drahtspeichenräder haben einen Durchmesser von 28 Zoll.

Der Motor wurde in der Mitte unter dem linken Sitz angeordnet. Die Kurbelwelle des Zweizylinder Boxer liegt zum Rahmen. Die gegossenen Stahlpleuel erinnern mit ihren getrennt angeschraubten Bronzelagern an Dampfmaschinen. Zylinderblock und Kurbelgehäuse sind aus Grauguß. Die acht Liter der Wasserkühlung werden von einer außenliegenden Pumpe, die mit einer Kette angetrieben wird, umgewälzt. Der Benzintank fasst rund 20 Liter, die durch Schwerkraft dem Motor zugeführt werden. Geschmiert wird die Maschine mit Tropfölschmierern, die das Öl direkt den notwendigen Stellen zuführen. Da das Kurbelwellengehäuse offen liegt wird bei laufendem Motor eine Menge Öl herumgeschleudert, das bald die Insassen und das Fahrzeug einölt. Man nennt so etwas 'Verlustschmierung', da das Schmiermittel nicht in einem Kreislauf zurückgewonnen wird. Das Grauguß Schwungrad, an der inneren Seite angebracht, hat einen Durchmesser von 610 mm und wiegt rund 136 kg! Ein zweites Rad, das in einen eingearbeiteten Flansch der Schwungscheibe greift, dient als Kupplung für den großen Gang. Direkt daneben befindet sich das Zweigang-Planetengetriebe mit Rückwärtsgang. Von dort wird die Kraft per Kette auf das Hinterachs Differential geleitet. Oliver Barthel nach wurden Motorblock und Kolben auswärts gefertigt, alles andere wurde in der eigenen Werkstatt in der Cass Avenue gebaut.

Einige Details waren zur damaligen Zeit durchaus innovativ: Das Gemischbildungssystem, der sog. 'Vaporizer' (Verdampfer) arbeitet wie eine rudimentäre mechanische Benzineinspritzung, die den Verstellweg der Einlaßventile verändert. Die Zündung kann als Vorreiter der heutigen Verteiler-losen Systeme gelten, denn sie arbeitet nach dem "wasted spark" System, bei dem die Elektroden beim Kompressions- und Ausstoßtakt zünden. Beide Systeme wurden von Ford patentiert. Damalige Zündungen lieferten unregelmäßige Funken und die Elektroden verölten recht schnell. Ford beauftragte den Zahnarzt Dr. W. E. Sandborn eine Porzellanfassung für die Zündspule zu bauen. Dadurch erreichten sie eine höhere Spannung und der Motor lief besser und länger. Nach dem Rennen von 1901 verwendete auch Alexander Winton solche erstmalig verwendeten Porzellan-Zündkerzen.

Sweepstakes wurde innerhalb von zwei Monaten gebaut und getestet. Es gibt zwar keine Aufzeichnungen mehr über die Bedienung des Rennwagens, aber die Anordnung der Bedienelemente läßt vermuten, daß Henry Ford Lenkung, Gas, Bremse betätigt hat. Sein Schmiermaxe mußte sich in den Kurven wie bei einem Motorrad-Gespann aus dem Wagen lehnen und zudem die Zündverstellung und die Schmierung bedienen.
Die mit einer selbstgebauten elektrischen Anlage gemessene Höchstgeschwindigkeit über eine halbe Meile (rund 800 m) auf dem North Boulevard betrug 116 km/h.

Aber auch anderen waren bereit. Ford - der sein erstes Automobil, das Quadricycle im Jahr 1896 baute - war nur einer von 13 Bewerbern aus Detroit wie Ransom E. Olds, dem Gründer von Oldsmobile und später REO. Andere kamen sogar aus Buffalo und Pittsburgh. Der Favorit kam jedoch vom gegenüberliegenden Ufer des Erie-Sees. Alexander Winton aus Cleveland war nicht nur Autobauer, er war der gefeiertste Rennfahrer im Land. Aber nur drei Fahrzeuge gingen an den Start. Eins bekam schon in der Startaufstellung technische Probleme, so daß es nun zum Showdown zwischen Alexander Winton's "Bullet" und Henry Ford's "Sweepstakes" kam. Winton war im Gegensatz zu Ford, der nie zuvor ein Rennen bestritt, ein erfahrener Pilot. Winton's Wagen hatte rund 70 PS, fast dreimal so viel wie die 26 PS von Sweepstakes.
Ford's Start lief nicht besonders gut. Wegen seiner Unerfahrenheit nahm er die Kurven zu langsam. Aber nach der Hälfte des Rennens machte er Boden gut. Der Underdog Ford und Liebling des heimischen Publikums überholte Winton direkt vor der Tribüne und gewann mit großem Vorsprung. Auf seiner historischen Fahrt über 10 Meilen erreichte Sweepstakes eine Durchschnittsgeschwindigkeit von über 72 km/h.

Neben dem Staub und dem Ruhm erntete Ford auch die 1.000 Dollar Siegprämie und den heute verschollenen Pokal aus geschliffenem Glas, der ursprünglich passend für Wintons Wohnzimmer gestaltet wurde.  Ford gewann den finanziellen Grundstock für die Gründung seiner Henry Ford Company.

Der Wagen wurde im März 1902 von Henry Ford für rund 2.000 Dollar an William C. Rands verkauft. 1902 verließ Ford die Henry Ford Company, die später zu Cadillac wurde. Er wollte bessere Fahrzeuge bauen - was er dann mit '999' und 'Arrow' 1902 auch verwirklichte.
Rands, der in der Woodward Avenue ein Fahrradgeschäft unterhielt, ließ den Wagen mit  Harry Cunningham als Fahrer noch bei einigen Rennen starten. As die Automobilindustrie wuchs wurde Rands zu einem großen Zulieferer für Windschutzscheiben und Verdecke und bot Sweepstakes Ford in den frühen dreißiger Jahren zum Rückkauf an. Sweepstakes wurde jahrelang in einer Lagerhalle untergestellt und der hölzerne Aufbau bei einem Feuer zerstört. Er wurde wieder aufgebaut, für einige Werbeveranstaltungen benutzt und ging dann an das Henry Ford Museum in Dearborn, wo er bis 1987 zeitweise ausgestellt war.

Sweepstakes im Jahr 2011
Sweepstakes nach der Restaurierung

Im Oktober 2000 betraten Glenn Miller, ein Ford Entwicklungs-Ingenieur und Malcolm Collum, der Konservator des Henry Ford Museums, den Lagerraum. "Wir kannten die Halle in Dearborn, aber jeder dachte das der dort untergestellte Wagen nur eine Replika von Henry's Original aus dem Jahr 1901 ist", erinnert sich Collum. Der Wagen war seit 1987 aus der Öffentlichkeit verschwunden und die Wiederentdeckung führte zum Plan das Original makellos zu restaurieren und zwei Replikas für Ausstellungen zu bauen. Von den Aufzeichnungen und Photos wußte man, daß der Holzaufbau bei einem Feuer zerstört wurde. Man wußte auch, daß Ford in den dreißiger Jahren einen neuen Aufbau anfertigen ließ, der nicht exakt dem Original entsprach und nahm sogar an, daß es sich um einen kompletten Nachbau handelte. Deshalb kam ihm auch nicht die notwendige Aufmerksamkeit im Museum zu Teil und er wurde später aus der Ausstellung entfernt.
Nachdem man die Zündanlage genauer untersucht hatte war klar, daß es sich um das Original handelte. "Man konnte erkennen, daß der Motor über eine rudimentäre Benzin-Einspritzung verfügte", sagte Miller, ein Sammler von frühen Fords. "Niemals hätte Henry Ford dieses System in den dreißiger Jahren nachgebaut, als Vergaser schon verfügbar waren. Daran und an anderen Motorteilen konnten wir die Authentizität beweisen."

Aber der Plan Sweepstakes zu restaurieren war mit viel Zeit und hohen Kosten verbunden. Die Arbeit begann im Januar 2001. Ein Team von mehr als zwei Dutzend Leuten arbeitete 12 bis 14 Stunden pro Tag und sechs Tage die Woche um den Zeitplan einzuhalten. Als der Motor des ersten "Sweepstakes" am 24. Mai 2001 mit einer lauten Fehlzündung und viel Qualm startete gab es viel Applaus in der Werkstatt von Trakon Show & Display in Sterling Heights, Michigan. Im Dezember des Vorjahres bekamen sie den Auftrag zwei fahrfähige und optisch identische Repliken zu bauen. Ohne Zeichnungen war man hauptsächlich auf Photos der Originals angewiesen. Es war viel schwieriger die Nachbauten fertigzustellen, als das Original zu restaurieren. Dessen Chassis wurde Walnuß-gestrahlt um alten Schmutz zu entfernen, neu lackiert, gewachst und poliert. Dabei kamen auch Korrosionsspuren zu Tage, die vom Löschwasser beim Brand entstanden.

Für die Repliken begann man bei Null. Die Nachbauten sollten nicht wie maschinell gefertigt aussehen, sondern die gleiche Handarbeit ausstrahlen wie das Original. Kolben mußten angefertigt werden und der Rahmen aus Eschenholz gebaut werden. Besonderer Augenmerk wurde auch auf die original Farbgebung und den Aufbau gerichtet. Schwierigster Teil waren die Reifen. "Die Reifen des Rennwagen von 1901 waren Schlauchreifen der Diamond Rubber Company, die später von BF Goodrich einverleibt wurde", sagt Miller. Ähnlich wie bei Rennrädern bildet der Schlauch gleichzeitig den Mantel. "Aber eigentlich wird der Schlauch mit der Felge verschraubt. So kann man sie nicht mehr kaufen, also mußten wir beim Nachbau einige Zugeständnisse machen."
"Henry Ford's Rennwagen aus dem Jahr 1901 war mit der Kraftstoff-Einspritzung, dem niedrigen Rahmen und dem daraus gegenüber der Konkurrenz besseren Schwerpunktlage ein gut konstruiertes Auto", sagt Casey. "Er befolgte das Prinzip leichte, kleine Wagen zu bauen statt großer und schwerer. Das Fahrverhalten war Ford sehr wichtig und damit war er seiner Zeit voraus."


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