Ford Karosserieschneider Teil 19 – Westfalia

Im Jahr 1844 eröffnet Johann Bernhard Knöbel im Haus seiner Eltern in Rheda-Wiedenbrück eine Schmiede. Dort erstehen Ackergeräte und schwere Pferdewagen, welche die Ware vom neu gebauten Bahnhof verteilen. 1876 folgt die erste Kutsche. Sohn Wilhelm übernimmt den Betrieb, der zweite Sohn Franz gründet einen eigenen Betrieb. Später ziehen die beiden Brüder ein paar Häuser weiter, wo sie 1887 bis 1932 zunächst Kutschen, Schlitten und Anhänger herstellen.

Westfalia_Firmengründer

Nach dem 1. Weltkrieg wächst das Unternehmen weiter und ein erweitertes Gelände wird bezogen, in dem von 1920 bis 1966 Anhänger und Karosserien bebaut werden.

Ein erster Erfolg war die sog. "Selbstfahrerkutsche" zu 475 Reichsmark, die auch ohne Kutscher gefahren werden konnte. Auf zwei gegenüberliegenden Sitzbänken fanden vier Personen Platz, wenn der Kutschbock demontiert wurde.

Ab 1922 heißt die Firma nun "Westfalia - Franz Knöbel & Söhne OHG". Deren Kraftfahrzeug Ära beginnt mit Handelsvertretungen für Citroën und Dixi, ab 1927 werden die ersten, offenen Anhänger ausgeliefert. Damals wurde noch die sog. Pinnkupplung verwendet, die auf schlechten Straßen furchtbar klapperte.

1931 patentiert Franz Knöbel die heute noch gebräuchliche 50 mm Kugelkopfkupplung für Anhänger und setzte eine Blattfeder zur Federung als Deichsel ein. Neben den Anhängern produziert Westfalia als heute größter Hersteller weltweit auch die passenden Anhängerkupplungen für viele Fahrzeugtypen.

1935 folgt der erste Wohnwagen von Westfalia mit vier Betten und einer Küche.

Westfalia Type Köln 1938 Bei den Sportanhängern mit Deckel setzte man nun eine schmierstellenfreie Schwingachse ein. Mit diesen Typen transportierte man leicht verderbliche oder gegen Diebstahl zu schützende Güter. Benannt waren die verschiedenen Typen stets nach deutschen Städten, natürlich gab es auch einen "Typ Köln".

1938 wird der Grundstein für ein neues Werk mit damals 200 Mitarbeitern gelegt, das bis heute besteht. 1942 erhält das Werk den Namen "Westfalia-Werke Franz Knöbel & Söhne KG"

Ford V3000S mit Westfalia Prtsche
Wehrmachts Ford V3000S mit Westflia Pritsche und Einheitsführerhaus
heute im Rheinischen Industriemuseum Oberhausen beheimatet
Ab 1937 werden Pritschen für LKW gebaut, u.a. auch für die verbreiteten Ford 3-Tonner Fahrgestelle, die später in großer Stückzahl von der Wehmacht bestellt wurden. Wir FOMCC'ler erinnern uns an den Ford LKW mit Einheitsführerhaus aus Westfalia Beständen, der 2001 auf unserer Ausstellung im Rheinischen Industriemuseum Oberhausen ausgestellt wurden.

Zu den bekanntesten Fahrzeugtypen mit Westfalia Aufbau aus der Nachkriegszeit gehört u.a. das geschlossene UNIMOG DvF Führerhaus, von dem über 20.000 Stück als Kranken-, Büro- und Werkstattwagen an Bundeswehr und Feuerwehren geliefert wurden.
Ein großer Fehler war wohl die Entscheidung der Knöbel Brüder gegen eine Lizenzfertigung der italienischen Isetta. Sie kauften zwar ein Exemplar und fuhren es über die Alpen nach Wiedenbrück um es auf Herz und Nieren zu testen. Als problematisch sah man jedoch das fehlende Werkstättennetz außerhalb Italiens an, sodaß schlußendlich BMW zum Zuge kam.

Der VW "Fridolin" Kleintransporter Typ 147 basiert auf dem Chassis des Käfers. 6.139 Stück mit den typischen Schiebetüren wurden an die Bundespost zur Leerung von Briefkästen ausgeliefert. Auch die Schweizer Post fand gefallen an diesem Typ, forderte aber zusätzliche Fenster für eine bessere Rundumsicht und eine zusätzliche Benzinheizung.

VW Fridolin

Gutbrod Superior 1951 Die Karosserie der Gutbrod Superior Kombi wurde von den Westfalia-Werken in Zusammenarbeit mit Gutbrod 1949 und 1950 entwickelt und in den darauffolgenden Jahren bis zum Konkurs der Firma Gutbrod im Herbst 1953 gefertigt. Die Karosserien wurden komplett bei Westfalia gefertigt, lackiert, ausgestattet und aufgebaut. Von diesem Typ wurden insgesamt 866 Stück gebaut. Gutbrod selbst baute damals nur ein 2-sitziges Coupé mit Rolldach, so dass die 4-sitzige Kombi-Limousine das Programm ideal ergänzte.

Speziell für den erfolgreichen Käfer entsteht ab 1949 der kleinere Anhänger vom Typ "Wolfsburg". Dessen strömungsgünstige Form entsprach mehr dem Zeitgeschmack als einer Funktion, machte jedoch einen fortschrittlichen Eindruck. Bei 390 kg zul. Gesamtgewicht konnten 220 kg Nutzlast transportiert werden.

Für den VW Bulli lieferte Westfalia über 20 Jahre die Großraumpritsche zur Erweiterung des Laderaums.
Auch für spezielle Einsatzzwecke wurde man fündig: Für den Zivilschutz im Kalten Krieg baute bei Westfalia 350 Sirenenanhänger mit Lautsprecheranlage und Notstromaggregat. 40 Jahre lang baute Westfalia auch Bestattungsanhänger, die Werkzeuge für den verschweißten Stahlblechaufbau stammten noch aus der Gutbrod Kombi Fertigung.

Der schwere Anhänger vom Typ Leipzig mit hydraulischer ATE Auflaufbremse ermöglichte zwar weiches Bremsen, war aber zu teuer. In den 70er Jahren wurden Kunststoff Anhänger produziert. Bis heute sind die Allzweck- und Pferdeanhänger mit mechanischer Auflaufbremse ein echter Verkaufsschlager der Westfalia Trailergroup.

Westfalia Wohnwagen Werbung

Der meistgebaute Westfalia-Wohnanhänger Typ Camping 310/4 wurde in der Zeit von 1954 bis 1968 gefertigt. Er war der erste der legendären Stahlblech-Wohnwagen, Elfenbein lackiert mit rotem Streifen. Der charakteristische Aufbau besteht aus 0,6 und 0,8 mm starkem Stahlblech, das zur Versteifung an den geraden Flächen gewellt wurde. Die 3100 mm lange Karosserie bietet Raum für vier Betten, eine Küche und einen großen Kleiderschrank. Vorne befinden sich zwei Betten übereinander, die entstehen, indem die Rücklehne der Sitzbank als zweites Bett hochgeklappt wird. Die hintere Sitzgruppe kann zu einem Doppelbett umgebaut werden. Außerdem hat dieser Anhängertyp einen Kühlschrank und eine hydraulische Auflaufbremse. Es wurde eine Tür-Propangasheizung eingebaut, die nach dem Prinzip des Außenwandofens arbeitet.

VW Bulli 1953

Schon 1952 entstand für einen VW "Bulli" auf Anregung eines englischen Offiziers die erste Camping Ausstattung, damit war der Geschäftszweig der Wohnmobile in Wiedenbrück eingezogen. Der Campingwagen SO42 war ein in den Vereinigten Staaten sehr erfolgreiches Modell. In den 60er Jahren wurden jeden Tag über 120 dieses Fahrzeugs produziert. Der Wagen war bereits isoliert und hatte ein Hubdach um eine bessere Stehhöhe zu erlangen. Die Einrichtung umfaßte die Innenverkleidung, einen Dachstaukasten, eine Kühlbox mit Wassertank, Handpumpe und seitlichen Klapptisch, einen Kleiderschrank mit Spiegel als Wäscheschrank, den linken Eckschrank, einen hinteren und einen vorderen Staukasten mit Polster und den Klapptisch.

Bereits in den 50er Jahren begann Westfalia Material aus der Firmen Geschichte für ein eigenes Museum zu sammeln. Erstes Ergebnis war eine Festschrift zum 125-jährigen Jubiläum, passend hierzu wurde auch eine Kutsche restauriert. Anfang der 70er wurden mittels eines Preisausschreibens historische Anhänger aufgespürt, angekauft, restauriert und in die Sammlung einverleibt. Bis 2009 ist die Sammlung immer weiter gewachsen, wenn auch zwischenzeitlich Stücke wie der oben erwähnte Ford V3000S wieder abgegeben wurden.

DKW Wohnmobil 1956

2009 mußte jedoch eine große Anzahl Fahrzeuge veräußert werden, da die geplante Erweiterung der Fertigung weniger Platz für die Oldtimer ließ. Über eBay wurde dieser Teil der Sammlung angeboten. Zu den elf angebotenen Fahrzeugen zählen Raritäten wie ein Gutbrod Kombi aus dem Jahr 1952 mit 26 PS starkem Zweitakter oder ein "weltweit einmaliger" DKW F80013 in Wohnmobilausführung Bj.'56. Dabei muß sich der 31 PS, 900 Kubikzentimeter kleine 3-Zylinder-Zweitakter mit dem laut Artikelbeschreibung über drei Tonnen schweren Gefährt abquälen. Das DKW Fahrgestell eignete sich gut, weil durch seine geringe Bodenfreiheit die Einstiegshöhe leicht zu überwinden war. Vom DKW-Wohnmobil wurden nur geringe Stückzahlen gebaut, da nur ein kleiner Kundenkreis diese teuren Fahrzeuge bezahlen wollte. Die Ausstattung war damals schon sehr komfortabel mit Spültoilette, Gasheizung und Gasherd. Das seltene Wohnmobil fand bei einem Mindestgebot von 39.000 Euro allerdings keinen Interessenten.
Insgesamt 180.000 Euro erbrachte die Auktion, abzüglich aller Kosten bleiben dem Unternehmen gerade mal rund 140.000 Euro für den Verkauf seiner Museumsfahrzeuge.

In den 60er Jahren löst leichter und witterungsbeständiger Kunststoff Stahlblech als Material der Wohnwagen Außenhäute ab. Styropor sorgt für eine bessere Isolierung. Flagschiff dieser Baureihen war der "Columbus" mit Platz für bis zu acht Personen, Abwassertank und Duschkabine.

1975 wird das erste Reisemobil auf VW LT-Basis wird produziert. Mit einem "Sven Hedin" und seinem 75 PS starkem 1,8-Liter- Benziner ist man schon etwas flotter unterwegs. Hochdach, Warmwasserversorgung und Dusche sind mit an Bord. Das Exemplar der Werkssammlung wurde 1986 gebaut und hat seither schon sagenhafte 534 km abgespult.

Ab 1976 konnte man auch ein Wohnmobil auf Mercedes Basis bekommen, wieder nach einem berühmten Weltreisenden benannt: James Cook. Der "Joker" auf VW T3 Basis wird ab 1981 angeboten. Das aerodynamische Hochdach ist auch nachrüstbar.

1985 wird nun auch Ford neuer Partner. Der "Nugget" bietet Mobilität und Aktivität in der Freizeit. Mit seinem Spirituskocher kann er als PKW zugelassen werden und wird direkt von den Ford Händlern vertrieben.

Eine weitere Neuerung kommt vom Westfalia für den Audi 100 auf den Markt: Die erste abnehmbare Anhängerkupplung.
1999 wurden die Westfalia-Werke in drei eigenständige Unternehmen aufgeteilt: Westfalia-Trailergroup GmbH (Anhänger), Westfalia-Automotive (Anhängerkupplungen) und Westfalia Van Conversion GmbH (Wohnmobile). DaimlerChrysler beteiligt sich mit 49% am ehemaligen Bereich der Freizeitfahrzeuge und übernimmt 2001 alle Anteile. Opel- wird als vierter Partner für Westfalia Van Conversion gewonnen. Die Erschließung des amerikanischen Marktes beginnt mit den James Cook unter der Marke "Dodge Sprinter Westfalia" über den Vertriebspartner Airstream.

2002 ging die Westfalia-Trailergroup in Insolvenz. 2003 entstand, auf Betreiben ehemaliger Mitarbeiter der Firma Heinemann, die Firma Westfalia-Heinemann AG, die bereits 2004 ebenfalls in Konkurs ging. 2005 wurde die Westfalia Trailer Systems GmbH gegründet, mit Nutzungsrechten an den entsprechenden Marken, Produktionswerkzeugen usw. der ehemaligen Westfalia-Heinemann AG. Heute werden dort unter dem Namen "Westfalia" Pferde- und andere Anhänger produziert.
2007 wird Westfalia Van Conversion von der Aurelius AG übernommen. Ende 2009 hat Westfalia Van Conversion die Fertigungsstätte in Düsseldorf wieder an die  Daimler AG verkauft.  

Auf dem Caravan Salon 2006 präsentierte Westfalia den Prototypen Big Nugget mit langem Radstand auf Ford Transit Basis. Aus Anlass des 25-jährigen Geburtstages des Nugget bringt Westfalia Van Conversion in Zusammenarbeit mit Ford 2009 einen Jubiläums-„Nugget“ auf den Markt. Premiere feierte der Jubiläums-„Nugget“ auf dem Caravan Salon in Düsseldorf. Bei diesem Modell wurde der Innenraum einem kompletten Re-Design unterzogen, inkl. auf Wunsch LED-Beleuchtung. Optional wird zudem ein Car-Entertainment-System mit DVB-T, TFT-Display und Monitoraußenanschluß angeboten. Bei der Ausstattung wurde auf Qualität und langlebige Materialien gesetzt. Alle Möbeloberflächen und Arbeitsplatten sind mit der besonders widerstandsfähigen  Beschichtung versehen. Die Polsterbezüge werden aus hochstrapazierfähigem und schmutzabweisendem Microfaserstoff gefertigt. Der Nugget wurde in der Leserwahl der "pro mobil", Europas größter Reisemobil-Fachzeitschrift, auf den 2. Platz in der Kategorie Kompakt-Campingbusse gewählt.

FOMCC Club Trailer hinter Transit Nugget
FOMCC Club Trailer hinter einem Ford Transit Nugget

Ein Multitalent auf Ford Transit Basis ist auch der Euroline. Seine Ausstattung ist als 5-Sitzer oder als 7-Sitzer wählbar. Mit einem Office-Modul für moderne Kommunikation aufrüstbar bietet er Varianten-Vielfalt für jeden Anwendungszweck. Die Sitzbank ist im Handumdrehen zur Liege, 200 x 134 cm, verwandelbar. Ob im Einsatz als Großraum Limousine, als Freizeitfahrzeug, als rollendes Büro, die Sitze sind absenk- und drehbar.

Text: tm
Fotos: Westfalia, Volkswagen, Ford, FOMCC eV


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