Geheimsprache der Oldie-Annoncen
Seit über 30 Jahren betreibe ich nun das rostigste Hobby der Welt. Während dieser Zeit führte mich die Suche nach vermeintlich guten oder perfekten Oldies viele tausend Kilometer kreuz und quer durch die Republik und zum Teil auch ins benachbarte Ausland.

Ausgangspunkt des Suchens und Irrens war in der Regel eine Oldie-Annonce in einer Zeitschrift. Deren rosige Anpreisungen wurden durch erste Telefon-Kontakte bestätigt und teils sogar noch verstärkt. In höchster Erwartung an das angepriesene Fahrzeug wurde die Reise zum Objekt gestartet. Die Wirklichkeit sah, wie so oft, anders aus, weshalb ich nachfolgend einmal eine Auswahl der gängigsten, in Oldie-Annoncen verwendeten Attribute der zum Verkauf anstehenden, blechernen Götzen auflisten möchte.

Wenngleich die Ausführungen mit einem gewissen Augenzwinkern gelesen werden sollten, so möge der geneigte Leser immer bedenken, dass auch in Übertreibungen zumindest ein Fünkchen Wahrheit liegt.

„Guter Zustand”
– Ja, wie soll der Zustand denn auch sonnst sein? Wer bezeichnet sein Auto schon als “schlecht”?
Dem Interessenten sei dringend angeraten, sich vor der Besichtigung eingehend mit den Schwachstellen des Modells vertraut zu machen, damit er genau weiß, wo man hinzuschauen hat!

“Guter Originalzustand”
- In den Radkästen, auf Scheinwerfertöpfen, Tehblechen und sonstigen Ablagen unter dem Blechkleid befindet sich der Straßenschmutz vieler Jahre oder gar Jahrzehnte. Er überdeckt gekonnt diverse Durchrostungen.

“Guter Allgemeinzustand“ - Jetzt hält das Auto nur noch einem ersten flüchtigen Blick stand, ohne dass sich die Gesichtsfarbe des Betrachters ändert.

“TÜV - frei” - Eine hauptsächlich bei älteren Anbietern bzw. Verkäufern beliebte Formulierung. Die nächste Hauptuntersuchung ist spätestens in einem Monat fällig und um die zu passieren, bedarf es mindestens einer Summe im vierstelligen Euro-Bereich. Schauen Sie sich lieber gleich nach einem besseren Auto um.

“Ältere Restauration”
- Einen Neurestaurierung ist dringend erforderlich!

“Rollfähig”
- Sie finden eine Karosserie mit vier Rädern vor

“Teile fehlen”
- Besorgen Sie sich am Besten gleich einen Auto-Transportanhänger und fragen Sie den Verkäufer höflich, ob er gesundheitlichen in der Lage ist, Ihnen beim Verladen des Wracks zu helfen, oder ob Sie selber einen Helfer mitbringen müssen.

“Motor dreht”
- Dies ist aber auch das Einzige, was positiv zu vermelden ist. Ansonsten siehe Rubrik „Teile fehlen“.

“Scheunenfund”
- Stellen Sie sich auf eine Komplettrestauration ein!

“Nicht Original”
- Fragen Sie den Anbieter vorab, was genau an dem Fahrzeug überhaupt Original ist, und ob er sicher sei, dass das Fahrzeug tatsächlich dem inserierten Modell entspricht.

“Liebhaberfahrzeug” - Dem Verkäufer fehlt seit Jahren das Geld, dringend notwendige Reparaturen und Instandhaltungsarbeiten in einer anerkannten Fachwerkstatt ausführen zu lassen.

“Blickfang oder Hingucker”
- Das Fahrzeug erhielt im Schnelldurchgang eine Verkaufslackierung in einer Hinterhof-Klitsche.

“Teileträger” - Der Verkäufer sucht eine günstige Entsorgungsmöglichkeit für seinen Edelschrott. Nehmen Sie ausreichend Werkzeug und eine Flex, noch besser einen Schneidbrenner, zur Besichtigung mit, um sich an Ort und Stelle die wenigen Brocken heraus zu trennen, die noch zu gebrauchen sind.

“Nicht billig”
- Der Anbieter schämt sich selber, den völlig überzogenen Preis, den er für seinen Schlegel fordert, schwarz auf weiß zu nennen.

“Seltene Gelegenheit oder Anruf lohnt “
- Der Anbieter ist froh, wenn er überhaupt ein Echo auf seine Anzeige erhält!

“Viele Neuteile”
- Es handelt sich entweder um ein ziemlich anfälliges Modell oder der Eigentümer hat versucht, einen Eintrag ins Guiness-Buch der Rekorde wegen besonders hoher Laufleistung zu erhalten.

“Aus Familienbesitz”
- Um solche Fahrzeuge mache ich einen besonders großen Bogen. Das Auto wurde in direkter Linie vom Großvater über Vater auf dessen Sohn vererbt, wobei es jeweils im harten Familienbetrieb seinen Dienst versah. Parallel dazu machten Neffen und Nichten damit schwarz ihre ersten Fahrversuche auf abgelegenen Feld und Waldwegen. Diverse Spuren an Stoßstangen und Kotflügeln zeugen von Kämpfen mit hartnäckigen Garagentoren und Hofeinfahrtbegrenzungen. Als das Fahrzeug schließlich beim Enkel angelangt war, stellte dieser fest, dass die nächste TÜV-Hürde nur mit einem finanziellen Aufwand zu nehmen wäre, der den Wert des Fahrzeuges um ein Mehrfaches überstiegen hätte, weshalb er sich entschloss, das gute Stück schweren Herzens zu verkaufen. Doch
auch bei noch so wohlwollender Betrachtung durch die Familien-Brille lässt sich objektiv kein anderer Vorzug mehr feststellen als die vermeintlich positive Wendung “aus Familienbesitz”.


Damit möchte ich es erst einmal bewenden lassen. Hoffentlich hilft dieser kleine Leitfaden bei der Beurteilung künftiger Oldtimer-Annoncen.
D. Brand


Zwei Prachtexemplare
Ein kürzlich gefundenes Anzeigen-Beispiel aus “Dein Oldtimer und Du”

Zwei Prachtexemplare zu verkaufen:
Knudsen-Taunus, Bj. unbekannt, aber vor der Wende, aus Familienbesitz, viele Neuteile, fahrbereit, Rückbau von Cabrio, in naturbelassenem Zustand, nur 16.900 T-Euro.

Obbelkadett, wie neu, nur von der Oma gefahren als sie noch schwanger war, links Federn und Stoßdämpfer erneuert, hatte mal TÜV,
347.780 km, hubraumreduziert, Sportscheinwerfer, VB 2.950 T-Euro


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