Schwach geworden - Mein Neuer Fiesta
 
Samstagmorgen, Sonnenschein - da geht es ab zum Brötchen Holen. Wie durch ein Wunder findet sich manchmal die „MarktPlatz“ neben der Brötchentüte und so war es auch an diesem Morgen. Eigentlich braucht man nichts, aber man sollte immer informiert sein.

Beim Durchblättern streift mein Blick eine kleine, unscheinbare Anzeige: „Fiesta, Bj 80, neue Reifen, TÜV 05/04, 45 PS, Blechschaden Kotflügel, € 100“.
OK - wir haben schon zwei Autos, drei Motorräder und eigentlich keinen Platz.
Andererseits - einen Fiesta 1 (besonders als XR2) suche ich schon länger. Und für das bißchen Geld ein ganzes Auto! Außerdem steht er ganz in der Nähe. Er nimmt nicht viel Platz weg und für das Geld kann man nichts falsch machen. Die Kinder finden ihn bestimmt auch ganz toll. Er hat schon Kopfstützen und im Unterhalt ist er bestimmt auch ganz günstig. Und irgendwie muß sich ja auch der Kauf der Zeitung lohnen. Da hat meine Frau mich angesehen und gesagt: „Dann guck’ ihn Dir doch mal an.“ Das hat eigentlich jedes Mal fatale Folgen.

Also schnell angerufen. Eine freundliche Dame meldet sich (erstes gute Zeichen). Wie bitte, „wievielte Hand“? Was meinen Sie damit?
Das ist mein Auto, das habe ich damals gekauft (zweites gute Zeichen). Er steht jetzt schon ein paar Wochen in der Garage, wir haben genug andere Autos (drittes gute Zeichen). Leider hat meine Tochter die Einfahrt nicht genau getroffen und eine Beule in das Auto gefahren (nicht so gutes Zeichen, aber Einfahrt bedeutet evtl. Garagenwagen). Der Schrotthändler wollte ihn nicht und wir möchten ihn in gute Hände abgeben (z.B. offenbar in Schrotthändlerhände!). Aber da hat schon jemand angerufen, der kommt erst morgen und ich kann ihn vorher nicht verkaufen.

Wenigstens darf ich den Fiesta schon mal ansehen.Eine schöne, große Garage öffnet sich und ein signalgelber Fiesta leuchtet mir entgegen. Sondermodell „Del Sol“ mit Glashubdach, Zigarettenanzünder, Rückfahrscheinwerfer, Radio - also im Grunde mit allem erdenklichen Luxus. Fast kein Rost, innen und außen sauber („habe ich noch poliert, muss man ja“ - klar, kann man für €100 auch erwarten...), neue Reifen („der TÜV meinte, die ersten Reifen wären zu alt, dabei waren die doch noch gut“). Leider eine schreckliche Beule im Kotflügel, Chromstoßstange verknickt. Die Einfahrt ist so breit - die Tochter hätte sie im Querdrift nehmen können ohne anzuecken - eine Tragödie.

Fiesta Del Sol

Im Kofferraum befindet sich eine Schachtel mit „notwendigen“ Dingen wie Abschleppseil (Modell Louis Trenker), Einmalhandschuhe (was so lange zusammen war, soll der Mensch nicht trennen), Feuerlöscher (muss beim großen Brand von London vermisst worden sein) und ein 1a Reserverad. Das letzte Licht, das es gesehen hat war wohl die Sonne von Saarlouis.

Also auf zur Probefahrt. Der Tank ist fast voll, bei dem Kaufpreis ein Argument. Alles geht außer der Temperaturanzeige. Im Radio läuft passend „In the summertime“ - wenn DAS kein Zeichen ist. Im Nu beschleunige ich auf Dackeltempo (waren doch nur 40 PS, keine 45). Das kleine Auto hat ein etwas schwammiges Fahrverhalten (bei 0,7 bar Luftdruck kein Wunder), aber nichts knackst oder rappelt. Die gelbe Farbe und das Glasdach machen gute Laune. Die muss man auch haben bei der Motorleistung. Die Besitzerin hat einen großen Zusatzspiegel auf den Innenrückspiegel geklemmt, da passen auch holländische Lkw rein.

Mein Kopf sagt: „Ich brauche nicht noch ein Auto.“ Mein Bauch sagt: „Ich gebe Ihnen € 200.“ Am abend geht das Telefon, der Ehemann meldet sich. Man habe dem Anderen abgesagt aber € 200 seien zuviel, 150 reichen auch. Prima! Und ich hole am nächsten Tag mein neues Auto ab (mit Originalkaufvertrag über 10.905,- DM vom 19.05.1980).
Fiesta Del Sol

Zuerst kommt das übliche Empfangsprogramm (Waschen, Schneiden, Legen): Wechseln aller Filter und Flüssigkeiten, Ventile und Zündung eingestellt, hoppla - was ist das denn für ein Schlauch? Dem Schmutz nach ist die Dame wohl längere Zeit mit abgezogenem Unterdruckschlauch gefahren. Aber sicher nicht sehr schnell...
Als nächstes kommt das Fahrwerkstuning; d. h. die 0,7 bar in den Reifen auf 2 bar bringen. Schön, dass man Metallkappen mit gelbem Ferrariwappen (Kaufpreis eingespielt!) auf die Ventile geschraubt hat. Nicht schön, dass sie bombenfest sitzen. Also Carramba. Keine Wirkung. Also Carramba Carramba. Über Nacht. Keine Wirkung. Also etwas Bremsflüssigkeit (Vorsicht neue Reifen). Keine Wirkung. Also Alufolie untergelegt (Vorsicht neue Reifen) und mit der Lötlampe und einer Zange diese verflixten Dinger abgewürgt. Zur Sicherheit fülle ich 2,4 bar auf. Wer weiß, wann ich die Ferrarikäppchen wieder abbekomme. Denn die müssen natürlich wieder drauf...

Danach kommt die Optik an die Reihe. Neuer Kotflügel, neue Stoßstange, alles ziemlich billig dank Ebay. Der Hit ist ein Paar neuer Bremsscheiben für € 2,50.
Leider muß ich meinen Fiesta aus Mangel an Zeit und Geschick zum Lackierer bringen. Keine große Sache, da gehst Du einfach zu irgendeinem in der Nähe. Zwei Wochen später ein Anruf. Ob ich mal vorbeikommen könnte. Nein, das ginge nicht am Telefon.

Ich stehe in der Halle des Lackierers („In der Halle des Lackierers“, klingt wie „In der Höhle des Bergkönigs“). Da steht mein gelber Fiesta, jetzt etwas tiefer, Radhäuser rausgezogen, keine Sitze mehr außer einem Recaro, Bierdeckel großes Sportlenkrad, Überrollkäfig. Alles klar für die 500 Meilen von Sebring oder Sinnersdorf. Die Kreditkarte in meiner Tasche krümmt sich. Ich denke an die Bank für Wiederaufbau und den WISO Tipp „Privatkonkurs“.
Ach hallo, sieht doch schon ganz gut aus, oder? Kurzzeitig gelingt es mir das Bewußtsein wiederzuerlangen und „Das ist nicht meiner“ zu sagen. Ach so, dann kommen Sie mal hier rüber. Um die Ecke steht noch ein gelber Fiesta 1! Auch ohne Stoßstange, mit 155ern, die haben sogar meine Sitze eingebaut. Es ist meiner. Der Kreislauf stabilisiert sich wieder.
Es gibt nur ein paar Fragen, die schnell geklärt sind. Nachdem ich das Auto aus der Wunderwerkstatt wieder abgeholt habe, kann ich die neue Stoßstange montieren und das ganze sieht schon deutlich besser aus.

Fiesta Del Sol

Die Sonne ist für „Del Sol“ wieder aufgegangen. Kein Pebble Beach Kandidat, aber alles noch im Budget.
Und die gute Laune gibt’s umsonst dazu!

von Hans B.


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