Fordlãndia
und Belterra
Henry Ford und seinen Freund
Harvey Firestone ärgerte
es, dass der Markt für Kautschuk von Briten und
Niederländern
beherrscht wurde. Um die Konkurrenz für den Reifenrohstoff
auszustechen,
erstand er 25.000 Quadratkilometer Amazonasgebiet von der
brasilianischen
Regierung. Dort wurden jetzt eigene Kautschuk Pflanzungen
angebaut. Harvey Firestone gründete eigene Plantagen in
Liberia und
selbst Thomas Edison versuchte sich an 17.500 Kautschuk Pflanzen.
Der Auto Unternehmer stampft
1927 die Stadt
"Fordlandia", benannt nach ihrem Schöpfer, mitten aus dem
Dschungel
von Amazonien. Zwei Welten trafen aufeinander: Westliches
Erfolgsstreben
und die Wildheit des Dschungels. Henry Ford ist von seinem Projekt am
Tapajos,
einem Nebenfluss des Amazonas, überzeugt. Zweifel seines
Sohnes Edsel
ignoriert er. Zwar hat er Edsel inzwischen zum Präsident des
Ford-Konzerns
ernannt, doch hinter den Kulissen bleibt er selbst zeitlebens der Kopf
des Unternehmens. Lediglich sein enger Vertrauter Thomas Edison
unterstützt
ihn bei dem brachialen Vorhaben, das Kautschuk dem unwegsamen Urwald
abzugewinnen.
Das Gebiet war hügelig und somit nur schwer maschinell zu
bearbeiten,
außerdem war der sandige Boden nicht mit
regelmäßigem
Niederschlagsmengen gesegnet.
Im Frühjahr 1928 stachen der
Ford eigene
Dampfer "Lake Ormoc" und die Barkasse "Lake Farge" von Detroit aus in See. Es entstand eine penibelst
saubere Reißbrettsiedlung, die Platz für mehrere
tausend Einwohner
Platz hatte. Die Retortenstadt im Dschungel bietet einen Tanzsalon,
Kinounterhaltung,
Restaurants und ein Krankenhaus. Alle Häuser sehen aus wie in
einer
nordamerikanischen Kleinstadt. Die Stromversorgung regelt ein eigenes
Elektrizitätswerk.
Ein Hafen diente als Transportweg. Alles funktioniert nach dem Vorbild
einer perfekten US-Kleinstadt - aber vielleicht ein wenig zu perfekt.
Doch nach fünf
Jahren waren nur zehn
Quadratkilometer Urwald bepflanzt worden. Malaria war stets ein
Problem,
der Fluss führte oft Niedrigwasser und war somit nicht
schiffbar.
Fordlandia
ca. 1940:
V8 festgefahren im Schlamm
In Fordlandia lebten und arbeiteten
zeitweilig
über fünftausend Seringueros, Kautschukzapfer. Sie
sammelten
auf riesigen Plantagen Latexmilch. Fordlandia zog Abenteurer und
Glücksritter
aus ganz Brasilien an. Dafür gab es viele Gründe:
etwa die modernste
Klinik Amazoniens, in der die Gummiarbeiter kostenlos behandelt wurden,
Strom und fließendes Wasser, Telefon und feste
Straßen. Die
Löhne waren doppelt so hoch wie andernorts, für den -
kostenlosen
- Schulunterricht für die Kinder der Seringueros war gesorgt.
Ein
Utopia inmitten einer Welt, in der unermesslicher Reichtum und
größte
Armut dicht beieinander lagen. Die ansässigen Indianer
reißen
sich nicht gerade um Arbeit. Ein präzise auferlegter
Tagesablauf schreckt
sie trotz guter Bezahlung ab. Denn in Fordlandia ist der Tagesrhythmus
durch Sirenen geregelt, die morgens, mittags und abends über
die ganze
Stadt schallen. Nur englisches Radio und Kino darf gespielt werden,
außerdem
ist Alkoholkonsum gänzlich untersagt. Und das
nordamerikanische Essen
stößt den Indios bitter auf. Zugleich lernen die
Ingenieure
die erdrückende Macht des Urwalds kennen. Kurz darauf
befällt
dann auch noch ein Pilz die Kautschukbäume, der nur durch
einen Flächenbrand
zu stoppen ist.
Belterra
Belterra wurde im Jahre 1934 im
Umtausch für ein gleich großes Gebiet von
Fordlandia vom Bundesstaat Pará erworben. Diesmal eine Hochebene, an einem
das
ganze Jahr über schiffbaren Fluss gelegen. Resistentere Samen
wurden aus Asien importiert. Aber auch diese Anpflanzung hat wohl nie
Profit
abgeworfen. 1942 erzielten die rund 2.000 Arbeiter einen Ausstoß von 750
Tonnen
Gummi, viel weniger als die geplanten 38.000 Tonnen. Mittlerweile
konnte
synthetischer Gummi hergestellt werden, Henry Ford verlor das Interesse
an Belterra und verkaufte sie 1945 an die brasilianische Regierung.
Damit
hat er insgesamt wohl mind. 20 Millionen Dollar in den Sand gesetzt:
Für
Städte, die er selbst nie bereist hat. Die
Ende der 30er Jahre gebaute Ford Reifenfabrik im Rouge-Komplex ging
nach nur zwei Jahren Betrieb im 2. Weltkriegs als Kriegshilfe an
Rußland (wo sie angeblich nie wieder aufgebaut wurde).
Von Fordlandia blieb nur eine
Urwald-Geisterstadt
als Touristenattraktion am Rio Tapajós.
Es handelt sich aber nicht um eine Boomtown der Bandeirantes, sondern
um
ein neuzeitliches Industriedenkmal mit lebenden Statisten. An den Traum
des amerikanischen Autokönigs erinnert nurmehr ein
gespenstisches
Idyll, anachronistische Kopie einer nordostamerikanischen Kleinstadt
vor
sechzig Jahren: gepflegte Eigenheime mit
Kühlschränken aus Connecticut
und Standuhren aus Des Moines, ein Krankenhaus mit
Gerätschaften aus
den dreißiger und vierziger Jahren (Hospital Henry Ford) -
seit über
vierzig Jahren hat sich hier kein Arzt mehr blicken lassen - ein
verlottertes
Schwimmbad, ein Spielplatz.. Kautschuk wird dort immer noch angebaut.
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